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Kapitel 2: Der Regensburger
Reichstag162
te124. Die Einschätzung der Räte, der Unionsversuch am Reichstag selbst sei
chancenlos, war anscheinend nicht ohne Eindruck geblieben. Andererseits
wußte der König genau, wie skeptisch viele Katholiken, vor allem die geistli-
chen Fürsten, den Colloquiumsgedanken betrachteten. Sein Auftrag, darüber
vertrauliche Gespräche aufzunehmen, sollte der Gefahr vorbeugen, mit der
Initiative für ein Colloquium Widerspruch von ihrer Seite zu provozieren.
Als Ferdinand diese Weisung gab, wußte er noch nicht, daß es diesmal kei-
nen grundsätzlichen Widerstand gegen den interkurialen Ständeausschuß zur
Beratung der Religionsfrage gab, wie er im Passauer Vertrag vereinbart war125.
Die Perspektive, daß dieses Gremium, dessen Einsetzung im Vorjahr in Augs-
burg nicht gelungen war, in Regensburg zustandekommen würde, wertete der
König offenbar sofort als Chance, nun doch noch am Reichstag selbst in schied-
liche Ausgleichsverhandlungen eintreten zu können. Das erklärt die umgehend
vorgenommene Korrektur seiner letzten Anordnung: „so haben wir doch si-
derheer den sachen verrer auch nachgedacht und befinden, wo der religion-
puncten, vermüg des Passauischen vertrags (wie billich beschehen solle) furge-
nomen und gehandlet werden wollt, das ainiche colloquenten, presidenten und
assistenten darzue zu verordnen von unnöten were, sondern das der nechst und
furtreglichst weg sein möchte, das allain zu solchem tractat ain gemainer aus-
schuß von etlichen guetherzigen, schidlichen und verstendigen personen baider
seits und religion erkhiesst...“, welche „die sachen freuntlich vertraulich und
unverpundtlich erwegten und beratschlagten“ und ihre Empfehlungen dann den
Ständen „zu derselben verreren deliberation“ vorlegten126. Diese Änderung
signalisiert nicht Unsicherheit des Königs127, sondern er sah jetzt den Weg frei
für sein eigentliches Anliegen. Ferdinands Entschlossenheit, den Versuch am
Reichstag selbst zu unternehmen, fand ihren Niederschlag in mehreren der
Vorbereitung dienenden Schritten: Erstens forderte er „seine“ Theologen auf,
sich ab dem 28. November, dem Tag, für den er seine Ankunft beim Reichstag
plante, in Regensburg zur Verfügung zu halten, wenn er dort persönlich die
Dinge in die Hand nehmen könne, mit der folgerichtigen Begründung, es
zeichne sich ab, daß auf dem Reichstag selbst „von wegen vergleichung der
spaltigen religion haubtsachlich tractiert und gehandelt werden muesse“128.
Zweitens unternahm er nochmals Anstrengungen, diejenigen Kurfürsten und
Fürsten, deren Mitwirkung er für unerläßlich hielt, zur persönlichen Teilnahme
zu bewegen, so August von Sachsen, Joachim von Brandenburg und Christoph
von Württemberg129. Ein weiteres Indiz ist, daß er jetzt Delfino nach Rom rei-
124 s. oben Anm. 110
125 Am 30.9. wurde im Fürstenrat Konsens festgestellt, daß der Ausschuß gemäß Passauer Vertrag
gebildet werden würde (Ernst, Bw. 4, S. 178f).
126 HHStA Wien, RK RTA 37, fol 170–172 (Konz.): Ferdinand an seine Räte in Regensburg, Wien,
3.10.1556. Das Zitat fol 170v, längerer Auszug bei Bundschuh, S. 151 Anm. 97
127 So Bundschuh, S. 151, dessen Interpretation hier fehlgeht.
128 HHStA Wien, RK RTA 37, fol 218r: F. an Witzel, Staphylus, Wien, 13.10.1556 (Konz.); fol
219r: an Dr. Simon [Scheibenhart], Pfarrer an St. Moritz in Augsburg; fol 252r: an die Bischöfe
Julius Pflug und Michael Helding, Wien, 14.10.1556 (Konz.). Vgl. Bundschuh, S. 151 Anm. 98
129 Briefliche Aufforderung an Kurfürst August v. 8.10.1556 in SHStA Dresden, Loc. 10192, fol
21–23 (Kopie). Vgl. ferner seine sehr dringlich gehaltenen Schreiben aus Tulln, 23.11.1556 an
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien