Page - 176 - in Ferdinand I. als Kaiser - Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
Image of the Page - 176 -
Text of the Page - 176 -
Kapitel 2: Der Regensburger
Reichstag176
ähnlichen Linie wie die Autoren des Augsburger Interims, das er in der Einleitung
als richtigen, aber leider nicht befolgten Ansatz wertete, denn sonst „khuente
jetzt Rueh im Reich sein“205. Endlich dürfte Ferdinand, der selber den Theolo-
gen keinen maßgeblichen Einfluß auf seine politischen Entscheidungen ein-
räumte, der Meinung gewesen sein, daß die anderen weltlichen Fürsten sich
ebensowenig von theologischen Beratern und deren Überzeugungen abhängig
machten.
Jedoch wurde Ferdinands Ansicht weder von Zasius – wie im Herbst deut-
lich geworden – noch von seinen theologischen Beratern Canisius und Sta-
phylus, nicht einmal mehr von Witzel geteilt. Canisius und Witzel hatten sich
unmittelbar vorher gutachtlich gegen ein Colloquium ausgesprochen206. Aus
Witzels Denkschrift vom 22. Dezember geht hervor, daß er damals weder vom
Konzil noch von einem Colloquium positive Ergebnisse erwartete207: Letzteres
sei ein aussichtsloses Unternehmen, weil die Einigung von ein paar Theologen
keineswegs zur Folge haben werde, daß die Protestanten insgesamt oder ande-
rerseits die katholische Kirche von ihren fixierten Positionen abgehen würden,
außerdem könnten die Ergebnisse des Colloquiums die anderen Nationen nicht
binden – Einwände, die keineswegs neu waren. Dennoch hatte Witzel Ferdi-
nands besonderen Ansatz verstanden, hielt ihn aber nicht für praktikabel. Kri-
tisch bemerkte er, wer glaube, daß noch auf dem Reichstag selbst die Einheit
der Lehre erreicht werden könne, unterschätze die Schwierigkeiten208; nachdem
die Spaltung bereits vierzig Jahre dauere, sei sie auf diese Weise nicht mehr zu
überwinden. Und Staphylus arbeitete in seinem wahrscheinlich in diesen Tagen
eingereichten großen Gutachten „Consultatio ... an concordia possit iniri cum
Protestantibus“209 heraus, daß ein Religionsgespräch keine Chance auf eine
Überwindung der Glaubensspaltung mehr biete, sondern nur noch dem Zweck
dienen könne, die weniger Verblendeten unter den Abgefallenen wieder an die
Kirche heranzuführen210 – auch wenn er in Berücksichtigung der Situation am
Reichstag im zweiten Teil eingehende Vorschläge zur Durchführung des beab-
sichtigten Colloquiums und zu den dort zu behandelnden Streitfragen vor-
legte. –
Unmittelbar nach der Übergabe der Resolution bemühte Ferdinand sich,
weiterer Opposition der geistlichen Stände vorzubeugen, indem er sie zurück-
behielt, um ihnen seine Position näher erläutern zu lassen und sie für seine
Konzeption zu gewinnen211. In seinem Namen verwies Jonas auf die jahrelan-
tholische“ Position, weder alles auf die Werke noch alles auf den Glauben zu setzen, doch sei
der Glaube „der erste Stein am Bau Gottes“ (fol 23v-25r).
205 fol 3v
206 Zu Canisius’ Gutachten, das verloren ist, vgl. Bundschuh, S. 213 mit Anm. 134
207 Druck bei Döllinger 3, S. 170f; Inhaltsangabe ebda, S. XVIII sowie bei Trusen, Reform, S. 32
und Bundschuh, S. 195–197.
208 „Qui conciliationem diversissimorum dogmatum in comitiis fieri posse putant, mihi negotii
totius difficultatem parum exacte intelligere videntur...“ (Döllinger 3, S. 171)
209 Ausführliche Inhaltswiedergabe bei Bundschuh, S. 357–369, der die Abfassung im Dezember
1556 wahrscheinlich macht.
210 Dazu bes. S. 359f
211 HHStA Wien, RK RTA 39, fol 519v: Protokoll zum 24.12.1556
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
back to the
book Ferdinand I. als Kaiser - Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V."
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien