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Der Reichstag unter Ferdinands persönlicher Leitung 179
Empfehlungen müßten dem nächsten (also nicht dem laufenden!) Reichstag
vorgelegt werden222.
Für Ferdinand war das Wesentliche an dieser Antwort, daß mit der Einwilli-
gung der Geistlichen in ein Colloquium der Dissens im Votum der Reichsstän-
de vom 20. Dezember als behoben und das Religionsgespräch damit als be-
schlossen gelten konnte. Er hatte diesmal mehr Konsens erreicht als Karl V. im
Jahr 1545. Darum begrüßte er in seiner zwei Tage später den Geistlichen erteil-
ten Antwort deren Zustimmung mit warmen Worten, nahm aber die angeführ-
ten Bedingungen lediglich zur Kenntnis und plädierte für unverzügliche Bera-
tung und Einigung im Religionsausschuß über die Rahmenbedingungen des
Colloquiums. Einer Entgegnung kam der König mit der persönlich abgegebenen
Erklärung zuvor, „das jetzmals hierauff keiner antwurt vonnoten, sonder da die
gaistlichen die sachen befurderten were die peste antwurt“223.
Ferdinands bestimmtes Auftreten schnitt den Geistlichen die Möglichkeit ab,
ihn um die Festlegung der Modalitäten für das Colloquium zu ersuchen224. Die
Befürworter hatten argumentiert, es werde sehr schwierig werden, sich über die
Verfahrensregeln direkt mit den Protestanten zu verständigen (Braun), und die
Vorgabe durch den König habe den Vorteil, daß die Geistlichen dann nicht
dafür verantwortlich gemacht werden könnten (Welsinger). Aber die Mehrheit
ließ diesen Gedanken jetzt fallen, und am 14. Januar konnte der Religionsaus-
schuß seine Arbeit wieder aufnehmen.
Ob Ferdinand von diesen Überlegungen gewußt hat, muß dahingestellt blei-
ben, jedenfalls hätte ein derartiger Antrag im Gegensatz zu seinen Intentionen
gestanden, war es doch sein Anliegen, daß die Stände sich selbst verständigen
und alle den Ausgleichsversuch mittragen sollten; schließlich war das Colloqui-
um in Regensburg 1546 auch daran gescheitert, daß die katholischen Stände ihre
Mitwirkung von vornherein abgelehnt hatten225. Doch hat der König Vorbe-
reitungen für alle Fälle getroffen. Gleich nach der Bekanntgabe seiner Resoluti-
on vom 24. Dezember scheint er Witzel beauftragt zu haben zusammenzustel-
len, in welchen Punkten man den Protestanten entgegenkommen könne. Die
Überschrift des auf den 1. Januar 1557 datierten Gutachtens „Sereniss. Regiae
Majest. seorsim, ubi vacabit, perlegenda“ läßt erkennen, daß Ferdinand eine
Kurzfassung gewünscht hatte226. Die Erstellung zu diesem Zeitpunkt war sinn-
voll, wenn Ferdinand erwartete, daß das inhaltliche Religionsgespräch in Kürze
beginnen würde, dann konnte ein solcher Auszug den königlichen Vertretern
als Leitfaden dienen. Dagegen ist eine andere Denkschrift Witzels, die für das
Gespräch im Sinne des Königs einige Empfehlungen gab, erst nach der Demar-
222 Vgl. Bucholtz 7, S. 366; Wolf, Protestanten, S. 48; Bundschuh, S. 205
223 HHStA Wien, MEA RTA 44a, fol 106v-107v: Mainzer Religionsprotokoll zum 7.1.1557. Das
Zitat fol 107v. Vgl. Bucholtz 7, S. 366, Bundschuh, S. 206
224 Hierzu und zum folgenden Bundschuh, S. 206f; Hinweise auch bei Bucholtz 7, S. 366
225 Vgl. dazu ARC 3, S. 513, Z. 6ff
226 Druck bei Döllinger 3, S. 175–179. Zu Überlieferung und Inhalt Bundschuh, S. 344–347 mit
Anm. 154. Ausführlich hatte sich Witzel zur Sache ja längst geäußert.
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien