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Der Reichstag unter Ferdinands persönlicher Leitung 181
ges Votum vorzulegen231. Die Debatten hatten zwei Wochen beansprucht, die
geringen Chancen für eine Umsetzung des königlichen Programms waren
schon dadurch noch weiter gesunken.
Trotz dieser Verhärtung der Fronten zwischen den Konfessionen hielt Fer-
dinand an seiner Konzeption der gütlichen Beratung noch fest. In seiner nur
zwei Tage später erteilten Antwort232 konstatierte der König Übereinstimmung
der Stände mit seiner Resolution, „das ein colloquium angestellt werde auf maß
und form einer cristlichen freundlichen consultation, underred und beratschla-
gung der sachen“, und bestätigte die Unverbindlichkeit des Colloquiums, das
„khain erkandtnus, decision, determination oder definition auf ime trage“,
vielmehr sollten alle Ergebnisse an König und Reichsstände referiert werden
und jeder Stand könne sich dann völlig frei dazu äußern. Die übrigen von bei-
den Seiten vorgetragenen Überlegungen – das waren eben jene wechselseitig zu
unabdingbaren Voraussetzungen erhobenen kontroversen Punkte – wolle er
erwägen, erklärte aber, daß deswegen das Colloquium „lenger nit zu verziehen
noch auffzuhalten sondern auf die verglichen und obangeregten maß und form
zum furderlichisten in das werckh ... zu richten seye und die sachen solches
colloquii mit unnotturftiger disputation der formalia halber nit lenger aufge-
halten ... sonder under die hand genomen“ werden sollte. Das wäre ein gutes
Werk und werde Kaiser und König wohlgefallen233.
Noch einmal versuchte Ferdinand, die Gegensätze zwischen den Konfessio-
nen beiseite zu schieben und die Stände in die Sachdiskussion zu treiben. In der
Zwischenzeit hatte er von einer Kommission, der neben Canisius als Vorsitzen-
dem die Bischöfe Michael Helding von Merseburg und Urban von Gurk sowie
Witzel, Staphylus, der bayerische Hofprediger Gressenicus und Simon Schei-
benhart aus Augsburg angehörten, die Frage prüfen lassen, ob ein Ausgleich in
den theologischen Streitfragen ohne Eingriff in die Rechte der Kurie möglich
sei234. Nun hatten die jüngsten Breven, die um die Jahreswende aus Rom an
etliche Reichsstände gelangt waren, zwar die Mahnung enthalten, auf dem
Reichstag nichts „contra sanctissimas Ecclesiae leges atque instituta“ zu be-
schließen, hatten aber nicht ausdrücklich gegen ein Colloquium Stellung bezo-
gen235. Mit seiner „dissimulierenden“ Resolution nutzte Ferdinand diese kuriale
Zurückhaltung aus und setzte sich über die Bedenken zumindest einiger Bera-
ter, darunter Canisius, hinweg. Stattdessen ließ er sich von seiner persönlichen
Überzeugung leiten, das gütliche Gespräch, wenn es nur erst begonnen hätte,
mit Hilfe der wichtigsten Fürsten zu einem guten Ende bringen zu können.
Gerade in diesen Wochen hatte er aufgrund einiger positiver Signale seine Be-
231 Ebda, fol 124r (die Stelle zitiert bei Bundschuh, S. 209 Anm. 125) bzw fol 130r. Das Votum der
Stände ebda RK RTA 38, fol 373r-380v. Den Irrtum von Wolf, Protestanten S. 49, Österreich
und Bayern hätten die Protestanten unterstützt, hat Bundschuh, S. 209 Anm. 124, korrigiert.
232 Die Vorlage des Ständebedenkens erfolgte am 27.1.1557, die Antwort erging am 29.1. (HHStA
Wien, RK RTA 39, fol 701v bzw. 709r: Protokoll der Reichstagshandlungen). Die Schnelligkeit
der Antwort zeigt, daß Ferdinand über den Gang der Beratungen auf dem laufenden war.
233 Ferdinands zweite Resolution zur Religionsfrage ebda. 38, fol 383r-384r
234 Braunsberger 2, S. 55 (Canisius an Lainez, Regensburg, 22.1.1557); vgl. Soffner, S. 60; Bund-
schuh, S. 212f mit Anm. 132, besonders zur ablehnenden Haltung von Canisius.
235 Die Breven bei Raynaldus 33, S. 554; vgl. zu ihrer Entstehung Lutz, Kurie, S. 282f
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien