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Der Reichstag unter Ferdinands persönlicher Leitung 189
Teilnehmer, Verpflichtung zur Geheimhaltung, Verfahren bei der Protokollie-
rung und manches andere geeinigt, auch über die Größe des Präsidiums; Zasius’
berechtigte Warnung, ein mehrköpfiges Leitungsgremium könne sich auch
zerstreiten, war folgenlos verhallt, denn es sollte mehrere fürstliche Beisitzer
geben286. Ferdinand wurde gebeten, das Präsidium zu übernehmen, wobei er
mit seiner eigenen bisherigen Argumentation in die Pflicht genommen wurde,
damit das Colloquium „ohne allerhandt weitleufftigkeit und unnotturftige dis-
putation fur und abgeen“ möge287. Herzog Christoph hatte schon im Oktober
diese Idee damit begründet, das werde „nit ain cleine befurderung der concordi
sein“288; auch dieser entschiedene Lutheraner schätzte Ferdinands Fähigkeit
auszugleichen und zu integrieren hoch ein. Obwohl darüber gesprochen wor-
den war, unterbreiteten die Stände keinen Vorschlag, wer an Ferdinands Stelle
treten solle, falls er das Präsidium nicht führen könne; Württemberg und andere
Protestanten hatten König Maximilian dafür vorgeschlagen, während die geist-
lichen Stände, bei denen das auf Bedenken stieß, Zasius’ erste Empfehlung be-
fürworteten289, denn direkt gegen Maximilian konnten sie natürlich nicht votie-
ren. Die wichtigste Lücke war, daß kein konkreter Vorschlag zur Verhand-
lungsbasis gemacht wurde. Auf die bei früheren Versuchen zugrunde gelegte
Confessio Augustana hatten sich die geistlichen Stände diesmal nicht einlassen
wollen, während Österreich und Bayern dazu bereit gewesen waren; Zasius und
Hundt hatten schließlich den vom Mainzer Kanzler empfohlenen kleinsten
gemeinsamen Nenner unterstützt, das Problem den Teilnehmern des Colloqui-
ums anheimzustellen „und jetzo allhie nichts zu specificiern so die materi und
res darauf zu colloquieren belangte“290. Den im Vorfeld der Beratungen von
den Geistlichen an ihn herangetragenen Vorschlag, „daß die khu. Mt. mit ainem
puech darauff zu colloquieren, gefast sein und dasselb als oberster president
fürlegen möchte“, hatte Zasius „mit vorwüssen der khu. Mt.“ abgelehnt, so daß
er im Ausschuß nicht mehr eingebracht worden war291. Das ist darum bemer-
kenswert, weil Ferdinand seinerzeit in Augsburg erwogen hatte, für den näch-
sten Reichstag ein „neues Buch“ verfassen zu lassen292. Wenn Ferdinand jetzt
ablehnte, sich dergestalt zu engagieren, und die seinerzeit in Auftrag gegebene
Arbeit nicht weiterführen ließ, obwohl Witzel in seinem Gutachten vom 8.
286 Die Einzelheiten der Beratungen bei Bundschuh, S. 222–229.
287 wie Anm. 284, fol 487v
288 Ernst, Bw. 4, S. 185: Christoph an Maximilian, 12.10.1556; vgl. Hollerbach, S. 213
289 Wolf, Protestanten, S. 54. Herzog Christoph hatte schon am 19.1.1557 an Maximilian geschrie-
ben, er wolle, „sovil mir immer müglich, sollicitieren, damit Ew. kun. wurde als preses colloquii,
wa ir mt. nit selbst presidieren will, erbeten werd“ (Ernst, Bw. 4, S. 258).
290 Aus Zasius’ „Kurtzem Bericht von erfolgter beratschlagung und vergleichung des furgenomme-
nen und beschlossnen colloquii“ vom 26./27.2.1557 (HHStA Wien, RK RTA 38, fol 516r-528v,
hier fol 520v; vgl. die im Mainzer Protokoll (MEA RTA 44a, fol 195r, zum 18.2.1557) festgehal-
tene Formel, die Colloquenten „sollen von den articuln des christlichen glaubens, lehre und reli-
gion underreden auf die form und ordnung, wie sie sich derselbigen zu vergleichen“. Weniger
präzise konnte man kaum sein. Vgl. auch Bundschuh, S. 229
291 Zasius’ „Kurtzer Bericht“ (s. vorige Anm.), fol 520r/v
292 s. Kapitel 1, S. 101; Lutz, Christianitas, S. 373f
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien