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Der Reichstag unter Ferdinands persönlicher Leitung 191
Gressenicus, vormals Professor für scholastische Theologie in Wien300, als
„Adjunkten“, d.h. als sachverständige Berater der sechs Colloquenten, auf die
endgültige katholische Liste301. Einen der übrigen Adjunkten, den Aachener
Dominikaner Matthias Sitthard, holte Ferdinand später als Hofprediger nach
Wien und machte ihn bald darauf zu seinem Beichtvater302.
Im Religionsausschuß einigte man sich, die Vorschläge der anderen Konfes-
sion jeweils zu akzeptieren. Mit Ferdinands Weigerung, das Colloquium per-
sönlich zu leiten, mochten sich die Stände nicht gleich abfinden und baten ihn,
seine Entscheidung zu überdenken. Als Begründung führten sie an, sein Präsi-
dium werde die Verhandlungen des Colloquiums sehr erleichtern und außer-
dem den Ergebnissen bei den nachfolgenden Beratungen der Reichstände mehr
Gewicht verleihen. Um ihn umzustimmen, boten die Stände sogar die Verle-
gung an einen ihm „bequemeren“ Ort oder auch die Verschiebung des Termins
an303. Der von Thann unter Beifall der anderen Protestanten gemachte Vor-
schlag, als Ersatz den König von Böhmen oder den Herzog Wilhelm von Jü-
lich-Kleve anzuregen304, also Ferdinand persönlich nahestehende, aber ver-
meintlich zum Protestantismus neigende Fürsten, fand dagegen keine Aufnah-
me in das letzte Votum der Stände.
Aber Ferdinand blieb bei seiner Entscheidung. Ohne neue Gründe anzuge-
ben, lehnte er das Präsidium nochmals ab und bestimmte zu seinem Vertreter
den Bischof von Speyer, Rudolf von Franckenstein305. Um weiteren Erörterun-
gen aus dem Wege zu gehen, empfing er die Stände diesmal nicht, sondern ließ
seine Resolution der Mainzer Kanzlei überbringen306. Die Katholiken, die den
Bischof von Speyer vorher als Auditor gewählt hatten, hatten an Ferdinands
Wahl nichts auszusetzen, während die Protestanten enttäuscht meinten, man
solle ihn wegen der Unparteilichkeit um einen weltlichen Fürsten bitten, „so
dem babst nit verwandt“. Mit der These, der Präsident des Colloquiums sei
dem Papst nicht verpflichtet, trat Zasius ihren Bedenken entgegen, und da sie in
der Minderheit waren, verzichteten die Evangelischen dann auf einen Ein-
spruch307.
So hatte Ferdinand die beiden wichtigsten Probleme des Reichstages Anfang
März zum vorläufigen Abschluß gesteuert, obwohl er mit seiner am 5. Februar
den Protestanten erteilten Antwort auf ihre Supplikation vom 22. Dezember
300 Zu ihm Bundschuh, S. 391
301 HHStA Wien, RK RTA 36, fol 55r-56r: Bestandteil des 4. Bedenkens der Stände zur Religions-
frage v. 9.3.1557; weitere Überlieferung der Liste nennt Bundschuh, S. 244 Anm. 307. Gegen
Witzels Nominierung hatte Ferdinand Bedenken, daß sie Einsprüche provozieren könne (wie
Anm. 297); sie waren nicht unbegründet (vgl. Ernst, Bw. 4, S. 277).
302 Paulus, Sittardus, S. 248; Bundschuh, S. 392. In den Quellen meistens die latinisierte Version
Cithardus.
303 HHStA Wien, ebda, fol 52r-54v
304 Ebda, MEA RTA 44a, fol 209v-216r: Mainzer Religionsprotokoll zum 6.3.1557, vgl. Ernst, Bw.
4, S. 277. Zur religiösen Haltung des Herzogs Wilhelm vgl. Franzen, S. 53ff, bes. S. 62ff
305 Ebda, RK RTA 36, fol 60r-61v: Vierte Resolution des Königs (Kopie), den Ständen am 10.3.
zugestellt
306 Ebda, MEA RTA 44a, fol 218v: Eintrag zum 10.3.1557 im Mainzer Religionsprotokoll
307 Ebda, fol 223r-225v: Eintrag zum 13.3.1557
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien