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Kapitel 2: Der Regensburger
Reichstag196
Nachspiel: Ferdinand und das Wormser Religionsgespräch
Das in Regensburg beschlossene Colloquium ist im Spätsommer 1557 nahezu
pünktlich eröffnet worden, obgleich keine Seite besondere Lust dazu hatte oder
größere Erwartungen hegte. Wie gezeigt gilt dies auch für König Ferdinand,
dem es zwar nach wie vor am Herzen lag, die Glaubenseinheit wiederzugewin-
nen, dem aber ein anderer Weg vorgeschwebt hatte. Das vom Reichstag verein-
barte Theologengespräch war für ihn eine Notlösung, die er akzeptiert hatte,
weil die Zustimmung der Reichsstände zu dem neuen Ausgleichsversuch nur
auf diesem Nenner zu erlangen gewesen war. Daß Theologen allein zum Ein-
vernehmen in den strittigen Fragen finden könnten, war Ferdinand nach den
Erfahrungen der vierziger Jahre zweifelhaft.
Um den Ständen möglichst viel Mitverantwortung aufzuerlegen, hatte Ferdi-
nand ihrer Beteiligung an der Gesprächsleitung durch mehrere Assessoren zu-
gestimmt und sich aus der Auswahl der Colloquenten – anders als früher Karl
V. – herausgehalten. Die unter den Katholiken verbreitete Skepsis bekam er in
der Vorbereitungsphase des Colloquiums noch mehrmals zu spüren. Er hatte
sich bereit erklärt, für die an der Universität Loewen lehrenden ausersehenen
Teilnehmer bei ihrem Herrn, Philipp II., Urlaub zu erwirken335. Philipp aber
schlug seinem Onkel die Bitte zunächst rundweg ab. Er übte grundsätzliche
Kritik an der Ansetzung des Colloquiums, weil frühere Religionsgespräche
ergebnislos geblieben wären und nur den Protestanten genützt hätten, während
die katholischen Gläubigen verunsichert würden, und weil den Entscheidungen
des Generalkonzils vorgegriffen werde; ja er riet sogar, das Colloquium noch
zu vereiteln336. Ferdinand wies die nachträgliche Infragestellung gültiger
Reichstagsbeschlüsse zurück, indem er darlegte, daß seit dem Passauer Vertrag
das Religionsgespräch als einer von vier Wegen gelte, um die Glaubenseinheit
im Reich wiederherzustellen. Er verteidigte die Ansetzung damit, die Hinder-
nisse für ein Generalkonzil seien bekannt, und er habe so auf dem Reichstag in
Regensburg das viel bedenklichere Nationalkonzil verhindern können337. Um
die von Philipp befürchteten Gefahren für den katholischen Glauben abzuweh-
ren, sei es vielmehr erforderlich, versierte Theologen zu dem Gespräch abzu-
ordnen. Ferdinand stellte klar, daß das Colloquium keine bindenden Entschei-
dungen treffen, sondern nur Empfehlungen an den Reichstag erarbeiten könne,
und betonte, daß er selbst nichts genehmigen werde, was etwa gegen das Konzil
oder den Heiligen Stuhl gerichtet wäre338. Da der Bischof von Arras, der die
Vorgeschichte ebenfalls genauer kannte als Philipp, in zwei Stellungnahmen
ganz ähnlich argumentierte wie Ferdinand und zum Beweis für die dienende
Funktion des Colloquiums einen Auszug aus dem Reichstagsabschied beifüg-
335 F. an Ph., 19.4.1557 (CDI 2, S. 473)
336 Ph. an F., 18.5.1557 (CDI 2, S. 476f); vgl. Bundschuh, S. 251f
337 Das war eine Übertreibung; das Nationalkonzil war von keiner Seite ernsthaft erwogen worden,
es sei denn man deutete die Pfälzer Forderungen vom 10.2.1557 (s. oben S. 187) als auf ein Na-
tionalkonzil zielend.
338 F. an Ph., 8.6.1557 (CDI 2, S. 478–481); vgl. Bundschuh, S. 252
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien