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Kapitel 2: Der Regensburger
Reichstag198
Während Pflug sich gegen seine Berufung als Collocutor sträubte, weil seine
Gesundheit zu angegriffen sei346, nahm er die Ernennung zum Präsidenten ohne
langes Widerstreben an. Es könnte sein, daß er froh war, dadurch die mit Miß-
behagen betrachtete Aufgabe des Wortführers der Katholiken loszuwerden –
Pflug fürchtete Uneinigkeit unter den katholischen Teilnehmern einerseits,
mangelnde Bereitschaft zur Verständigung und propagandistische Absichten
bei den Protestanten andererseits. So nahm er den Vorteil wahr, dem König aus
seiner kurzfristig entstandenen Verlegenheit herauszuhelfen, obwohl er gerade
in einem Brief an Jonas die sicher aufrichtige Meinung geäußert hatte, „den
dingen solte allenthalb pessern rath zu schaffen sein“, wenn der König das Ge-
spräch „an sich ziehen“, also doch selbst die Leitung übernehmen würde347.
Ferdinand demonstrierte umgehend sein Vertrauen in die Sachkompetenz des
Präsidenten, indem er dessen dringenden Ratschlag, die katholischen Teilneh-
mer zur Vorbereitung und Abstimmung noch vor Beginn des Colloquiums
zusammenzurufen, aufgriff: Er beauftragte Pflug, in Worms die katholischen
Teilnehmer sofort zu Vorgesprächen zu versammeln und dabei auch die ent-
standenen Lücken in ihrem Kreis zu schließen; Personalvorschläge dafür
machte er nicht348.
Ferdinands Instruktion für Pflug349 als in seinem Auftrag handelnder Präsi-
dent enthielt eine wichtige Vorgabe, die das Gespräch in die dem König richtig
erscheinenden Geleise bringen sollte: Da der Reichstag die zu behandelnden
Themen nicht festgelegt hatte, sollte Pflug die Colloquenten nicht nur ermah-
nen, sich schleunigst darüber sowie über die Reihenfolge zu verständigen; er
sollte darauf drängen, daß eine von der katholischen Seite vorzulegende Stel-
lungnahme zu den Aussagen der Confessio Augustana, nicht aber diese selbst
zur Grundlage der Verhandlungen genommen würde. Der König begründete
das damit, daß die Confessio Augustana keinen kanonischen Rang beanspru-
chen könne, daß die Lehren wie die Praxis der „alten Kirche“ viel älter seien
und die Protestanten ja nur in einigen Punkten davon abgewichen seien. Ferdi-
nand wollte also den Katholiken gleichsam die Vorhand sichern und verhin-
dern, daß Formulierungen der evangelischen Seite zum Maßstab oder zum
Streitgegenstand würden. Er nahm damit nicht nur Empfehlungen aus dem
Gutachten Witzels vom 8. Januar 1557 auf, sondern reagierte wohl auch auf ihm
bekannt gewordene Absichten der Protestanten. Einem seiner Räte war ein
Papier des Frankfurter Protestantentages zugespielt worden, in dem deren Ab-
sicht dokumentiert war, die Confessio Augustana zur Grundlage des Religions-
gesprächs zu machen, und zwar mit der Begründung, sie sei so oft von den
Katholiken attackiert worden, daß ihre Schriftgemäßheit verteidigt werden
346 Pollet, Corr. 4, S. 274: Pflug an F., 20.4.1557
347 Gedruckt bei Pollet, Corr. 4, Nr. 746, S. 303–305 als Brief an Gienger; Empfänger und Archiv-
signatur korrigiert Bundschuh, S. 290 Anm. 124. Der Brief kreuzte sich mit dem königlichen Er-
suchen, das Präsidium zu übernehmen (Pollet, Corr. 4, S. 305 Anm. 3).
348 F. an Pflug, 17.8.1557 (Pollet, Corr. 4, S. 313f)
349 Datiert v. 11.8.1557. Entwurf in HHStA Wien, RK RelA 27, fol 110–113; gedruckt bei Pollet,
Corr. 4, S. 309–312
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien