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Nachspiel: Ferdinand und das Wormser Religionsgespräch 201
hier nicht. Als die Gnesiolutheraner Anfang Oktober aus Worms abreisten, war
die Lunte gezündet, die die Sprengung der Veranstaltung bewirken sollte, denn
ihre Rückberufung schied als reale Möglichkeit aus. Pflug und Seld haben sich
wochenlang bemüht, durch Schlichtung den Fortgang des Gesprächs zu ermög-
lichen. Ferdinand hat sie, nachdem er von der Krise erfahren hatte, mehrmals
ausdrücklich darin bestärkt362. Doch nun zeigte sich, wie berechtigt die von
Zasius während der Beratungen in Regensburg ausgesprochene Warnung gewe-
sen war, ein mehrköpfiges Präsidium könne sich auch zerstreiten und dadurch
das Gespräch lähmen363. Das Gremium der Assessoren brachte keine einmüti-
gen Beschlüsse mehr zustande, zumal die beiden Protestanten in ihm, die am
Ausschluß der Gnesiolutheraner mitgewirkt hatten, das Präsidium für unzu-
ständig erklärten364. Pflug nahm sich das Recht zu Sondergesprächen, in denen
er auch von Positionen abwich, die zuvor mit den Assessoren erörtert worden
waren, aber er scheute sich, Entscheidungen zu treffen; sein Verhalten wirkte
auf viele Teilnehmer inkonsequent und wurde scharf kritisiert365. Bundschuh
hat zu seiner Rechtfertigung auf die Aporie hingewiesen, daß Pflug mit jeder
Entscheidung eine Seite verärgern mußte, und außerdem argumentiert, die kö-
nigliche Instruktion habe den Präsidenten an die Zustimmung der Assessoren
gebunden366. Er beruft sich dafür auch auf die kritische Äußerung Selds gegen-
über Ferdinand, bei früheren Colloquien wären die kaiserlichen Präsidenten
„allein das haupt gewesen, bey denen die directio des Colloquii gestanden. Jet-
zund aber und so diser her president auf ander leut sehen muß und sich densel-
ben nach richten, so ist sein authoritet sovil als nichs“367. Indessen ließ Ferdi-
nands Instruktion bei genauer Betrachtung m.E. dem Vorsitzenden doch die
Kompetenz zur maßgeblichen Entscheidung, denn sie besagte, er solle „mit
Vorwissen und Rat“ der Assessoren das tun, was zum Fortgang des Gesprächs
dienlich sei, also nach Einholen ihrer Meinung, nicht aber „mit Vorwissen und
Willen“ – mit ihrer Zustimmung368! Stattdessen wählte Pflug schließlich den
Ausweg, den König als letzte Instanz einzuschalten und um seine Entscheidung
nachzusuchen369.
Das Dilemma, in das Ferdinand durch die Rückfrage des Naumburger Bi-
schofs zu geraten drohte, hat Seld in einer eigenen Analyse der Situation, mit
362 Vgl. dazu das undatierte Konzept (wohl Mitte Oktober) in HHStA Wien, RelA 27, fol 317r/v
(möglicherweise nicht ausgefertigt). Ein abgängiges Schreiben v. 11.10. 1557 an Seld, das Ferdi-
nands Billigung ausgedrückt haben muß, ergibt sich aus einer Bemerkung Pflugs (Pollet, Corr. 4,
S. 327 Z. 97f).
363 Auch Seld hat diese Konstruktion kritisiert.
364 Vgl. Pflugs Bericht v. 27.10.1557 an Ferdinand, gedruckt bei Pollet, Corr. 4, S. 322–328, bes. S.
323f.
365 Vgl. Bundschuh, S. 468ff.
366 „Keine Silbe seiner Instruktion ermächtigte ihn, im Fall eines zwiespältigen Abstimmungsergeb-
nisses innerhalb des Assessorengremiums durch seine eigene Stimme einen Mehrheitsbeschluß
herbeizuführen und die Durchsetzung desselben zu erzwingen.“ (Bundschuh, S. 472)
367 Seld an F., 27.10.1557, (vgl. Anm. 370), zitiert nach Bundschuh, S. 472
368 Also eine andere Formel als die, mit der Ferdinand die Rechtsverbindlichkeit des Geistlichen
Vorbehalts begründete!
369 Durch seinen Anm. 364 genannten Bericht.
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien