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Nachspiel: Ferdinand und das Wormser Religionsgespräch 203
Besprechungen irgendwelche Sekten verteidigen sollten, müsse man sie daran
erinnern, daß der Augsburger Religionsfrieden nur für Katholiken und „Ver-
wandte der Augsburger Konfession“ gelte, brachte ebenfalls Verständnis für die
von den Katholiken eingenommene Haltung zum Ausdruck. Deutlich aber gab
der König mit seinem Appell an alle Beteiligten, zum freundlichen Gespräch
zurückzukehren und deswegen auch zurückzustecken, seinem Wunsch nach
Fortsetzung des Colloquiums Ausdruck376. Doch nur als Anregung, nicht als
Anordnung war formuliert, daß die Evangelischen in die Rückkehr der Gne-
siolutheraner einwilligen sollten, während die Katholiken jetzt nicht auf der
grundsätzlichen Beantwortung ihrer Frage bestehen sollten; dann könne man
mit der Erörterung der Einzelfragen fortfahren. Diese Empfehlungen liefen
darauf hinaus, die Geschehnisse der letzten Wochen gleichsam zu annullieren
und den Faden da wieder aufzunehmen, wo er in der sechsten Sitzung fallen
gelassen worden war. Pflugs Bemühungen, einen die Fortsetzung des Colloqui-
ums ermöglichenden Kompromiß zu finden, waren damit nochmals gebilligt,
dazu gab Ferdinand jetzt die eindeutige Weisung, eine einvernehmliche Über-
windung der Kontroverse – „mit beder teill bewilligung“- zu suchen. Die vor-
sorgliche Frage, wie bei künftigen Streitfällen zu verfahren sei, erledigte er mit
der wenig hilfreichen Bemerkung, er gehe davon aus, daß das nicht mehr vor-
kommen werde377.
Was Pflug indessen tun sollte, wenn die Teilnehmer nicht auf die königliche
Linie einzuschwenken bereit waren und auch sonst keine Lösung gefunden
werden konnte, dazu enthielt die königliche Resolution keinen Rat. Sie ist des-
wegen meist als „unklar“ kritisiert worden378; König Maximilian meinte, der
Vater habe „die sach gern von sich schiewen“ wollen379, und füglich mag be-
zweifelt werden, ob man in Wien noch große Hoffnungen hegte. Doch war
dem Schreiben m.E. deutlich zu entnehmen, was Ferdinand wünschte, aber
eben nicht anordnen zu können meinte. Er vermied auf diese Weise den
„Schwarzen Peter“ für das Scheitern und deckte zugleich das bisherige Verhal-
ten seines Präsidenten. Der als Auditor fungierende bayerische Rat Dr. Kais hat
Ferdinands Resolution treffend charakterisiert, „das die röm. kunigl. Mt. viel
mehr consilium proponieren und ainen guetlichen furschlag thuen, auch also
den mittlen weg geen, dann den strit pro regia potestate entschaiden wellen“380.
Angesichts der verfahrenen Situation in Worms war der Mittelweg aber nicht
mehr gangbar. Beide Parteien waren nur noch daran interessiert, so zu taktie-
ren, daß der anderen Seite vor der Öffentlichkeit die Verantwortung für das
Scheitern des Gesprächs angelastet würde381. So entnahm man der königlichen
376 Der von Jonas hinzugefügte Hinweis, auch die Übernahme der Kosten für etliche Teilnehmer
beweise das große Interesse des Königs an dem Colloquium (bei Pollet, Corr. 4, S. 330 Z. 41–
46), könnte von Ferdinand selbst bei der Besprechung des Schreibens gewünscht worden sein.
377 Pollet, Corr. 4, S. 331, Z. 103ff.
378 So bei Wolf, Protestanten, S. 107, Hollerbach, S. 224, Bundschuh, S. 495
379 Ernst, Bw. 4, S. 458
380 Zitiert nach Bundschuh, S. 496 Anm. 54
381 Dazu eingehend Bundschuh, S. 496ff; Pflugs abschließender Bericht an Ferdinand ediert bei
Pollet, Corr. 4, S. 338ff.
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien