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Kapitel 3: Die Übernahme des Kaisertums
1556/58212
über Reichsitalien gehabt haben soll, genauer: wegen Karls Absicht, Philipp ein
„immerwährendes Generalvikariat“ über Italien zu übertragen33. Als Belege
werden Berichte italienischer Diplomaten herangezogen, während es, wie Hein-
rich Lutz zuletzt klargestellt hat, keine Hinweise aus habsburgischen Quellen
gibt, daß das Problem bis zur Abreise Karls nach Spanien zwischen Wien und
Brüssel angesprochen worden wäre34. Allerdings hatte Karl im September 1555
eine Urkunde solchen Inhalts in Auftrag gegeben, doch ist das Dokument nie
publiziert worden35. Mit dem Argument, dem stets gut unterrichteten Ferdi-
nand könnten Nachrichten, welche italienischen Diplomaten zugänglich waren,
kaum entgangen sein, hat Lutz diesen Aspekt ebenfalls für einen „sehr erhebli-
chen Grund“ gehalten, um den König die Abdankungsverhandlungen mög-
lichst weit hinausschieben zu lassen36. Was aber im Herbst von den Diplomaten
kolportiert wurde, waren etwa folgende zum Teil recht abenteuerliche Kombi-
nationen: Einmal hieß es, als Lohn für Philipps Vikariat in Italien solle Erzher-
zog Ferdinand Lady Elizabeth heiraten dürfen; dann wieder, der Kaiser verwei-
gere dem Römischen König zur Strafe für seinen Widerstand gegen Philipps
Vikariat die von ihm begehrte Administration im Reich37. Daraus läßt sich m.E.
eher ein Ablenkungs- und Vernebelungsmanöver der Brüsseler Regierungskrei-
se ableiten, um den neugierigen Italienern zu verbergen, worum die Diskussion
mit Wien in Wirklichkeit ging. Nachdem bekannt geworden war, daß Karl die
Niederlande an Philipp übergeben wollte, war es nur natürlich, daß die Diplo-
maten nicht nur fragten, ob er auch andere Herrschaften übertragen wolle, son-
dern sich dabei besonders für die italienischen interessierten – und damit ent-
sprechende Antworten provozierten.
Da Ferdinand die Abdankung mit dem anstehenden Reichstag in Verbindung
gebracht hatte, mußte das innerhabsburgische Gespräch über dieses Thema
intensiver werden, als der Eröffnungstermin heranrückte, obwohl es zu mehre-
ren Verschiebungen kam. Dabei wurden die divergierenden Interessen der Brü-
der rasch deutlich. Anfang März ersuchte Ferdinand den Kaiser um die Entsen-
dung von „ansehnlichen“ und mit den notwendigen Instruktionen ausgestatte-
ten Kommissaren zum Reichstag38; das entsprang seinem Anliegen, öffentlich
Karls noch andauernde Verantwortung für das Reich sichtbar zu machen. Zu-
gleich teilte er mit, daß seine eigenen Bemühungen, die Kurfürsten und bedeu-
tendsten Fürsten zur persönlichen Teilnahme zu bewegen, ohne Erfolg geblie-
ben waren39. Sein Kalkül, Karl werde nun daraus ableiten, daß aus der Abdan-
kung während des Reichstags nichts werden könne, erfüllte sich indessen nicht.
Karl machte zunächst deutlich, daß er sich in die eigentliche Arbeit des Reichs-
33 Maurenbrecher, HZ 50, S. 23f; s. auch Kapitel 10, S. 655
34 Lutz, Christianitas, S. 418f.
35 Lutz ebda; Turba, Beiträge 3, S. 282–284
36 Lutz, Christianitas, S. 419
37 Vgl. nur Brown 6,1 S. 212 u. 215, auch S. 200; gegen die letztere referierte Meldung s. Ernst, Bw.
3, S. 344f: „Mit der Reichsregierung soll der englische König nichts zu schaffen haben, sondern
dieselbe dem römischen König zugestellt werden.“
38 HHStA Wien, RK RTA 36, fol 191–192: F. an Karl, 6.3.1556 (Or.; Kopie ebda, fol 179–180)
39 Die meisten Fürsten hätten ihr Kommen „in zweifel und ungewißheit gestellt“ (ebda).
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien