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Die Verhandlungen mit Karl V. und den KurfĂĽrsten 213
tages nicht hineinziehen lassen wollte: Er ĂĽberlieĂź Ferdinand ausdrĂĽcklich die
Entscheidung, ob er den Reichstag vertagen oder hinauszögern wolle oder
nicht, und erklärte, daß Kommissare von seiner Seite keine anderen Instruktio-
nen und Vollmachten erhalten würden, „dan wie wir ungeverlich das mehrmal
getan“40. Ferdinand sollte also wie beim Augsburger Reichstag alle Fragen allein
zu entscheiden haben. Einen Monat später schob Karl die Ankündigung nach,
er werde Ende Juni nach Spanien abreisen und dann seine Botschaft mit dem
Ferdinand bekannten Auftrag zum Reichstag schicken41. Zwischenzeitlich hatte
der König mitgeteilt, er habe die Eröffnung des Reichstages nun für den 1. Juni
angesetzt und die KurfĂĽrsten nochmals eingeladen42. Erst jetzt entsprach Karl
der brĂĽderlichen Bitte und ermahnte seinerseits ebenfalls die wichtigsten
Reichsstände zum persönlichen Reichstagsbesuch, wobei er aber nicht sein
eigenes Motiv, sondern die tĂĽrkische Bedrohung der Erblande seines Bruders
als BegrĂĽndung vorschob43.
Ferdinand sah sich daher veranlaĂźt, nochmals gegen den Abdankungsplan
Karls Front zu machen. Im Grunde seines Herzens hielt er dessen RĂĽckzug von
der Herrschaft wohl fĂĽr unangemessen, wie eine Bemerkung zu der inzwischen
erfolgten Übertragung aller seiner Erblande an Philipp durchschimmern läßt44.
Zunächst erinnerte er den Bruder nochmals an seine im Herbst vorgetragenen
Argumente. Zwei Tage später stieß er mit einem eigenhändigen – leider verlore-
nen – Schreiben nach und wandte sich gleichzeitig an Philipp mit der Bitte,
gemeinsam mit der Königin Maria sein Anliegen zu unterstützen45. Das war
auch angezeigt, denn in der Antwort auf Ferdinands ersten, keine neuen
Aspekte enthaltenden Brief beharrte Karl auf seinem Vorhaben, die Abdikati-
onsgesandtschaft zum Reichstag zu schicken, und zwar nur sie, während er die
Entsendung von Kommissaren jetzt unter Erinnerung an seine religiösen Skru-
pel gänzlich ablehnte und bekräftigte, Ferdinand habe für die Beratungen des
Reichstages uneingeschränkte Vollmacht46. Ferdinand warnte jetzt nachdrück-
lich davor, den Reichstag mit der Resignation vom Kaisertum zu befassen47. Er
dĂĽrfte geltend gemacht haben, daĂź das Vorhaben vor allen die KurfĂĽrsten ange-
he und einer Sondertagung bedürfe, weil jene sehr eifersüchtig über ihre „Präe-
minenz“ wachten; das war sicher keine dem König erst jetzt gekommene Er-
kenntnis, vielmehr wird hierin die sorgfältig dosierende Argumentation Ferdi-
40 Ebda, fol 212–213: Karl an F., 28.3.1556
41 „a leffect que vous scavez“ (Lanz, Corr. 3, S. 698: Karl an F., 5.5.1556).
42 HHStA Wien, ebda, fol 264–265: F. an Karl, Prag, 14.4.1556 (Or.)
43 Ebda, fol 280–281 ein Exemplar von Karls Rundschreiben an die Fürsten, Brüssel, 28.4.1556
44 F. an Karl, 22.5.1556, bei Lanz, Corr. 3, S. 699–702: „...ne faisant aussi doute, quavez fait jcelle
renunciation non sans grande occasion, et prye a nostre seigneur, quelle soit pour son service,
bien des affaires de vostre maieste, aussi a lhonneur et augmentation et dignite dudict seigneur
roy, semblablement au commun prouffit de ses pays et estatz“ (S.700).
45 F. an Philipp, 24.5.1556 (CDI 2, S. 421); vgl. Lutz, Christianitas, S. 475f.
46 Karl an F., 28.5.1556, bei Lanz, Corr. 3, S. 702f. Diese Antwort dĂĽrfte vor dem Eintreffen von
Ferdinands verlorenem Schreiben vom 24. 5. verfaĂźt worden sein.
47 Die folgenden Punkte ergeben sich aus Ferdinands Briefen an Philipp v. 24.5. (wie Anm. 45), an
Karl v. 29.6. (Lanz, Corr. 3, S. 704–707) sowie Karls Schreiben v. 8.8.1556 (ebda, S. 707–709).
Vgl. auch Reimann, Streit, S. 296; Gachard, Retraite 1, S. 133f.
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- MĂĽnster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien