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Die Verhandlungen mit Karl V. und den Kurfürsten 217
derruflich auf Ferdinand übertragen. Auch das war noch mehr, als der Bruder
bisher akzeptiert hatte. Endlich war als kleinste Variante vorgesehen, den König
wie früher mit der Administration des Reiches für die Zeit der Abwesenheit des
Kaisers zu beauftragen. Falls der Widerstand gegen die zweite Version von den
Kurfürsten käme, sollten die Gesandten in Spanien rückfragen, sofern Aussicht
bestünde, daß die Absicht des Kaisers durch eine neue Erklärung von seiner
Seite gefördert würde; sonst konnten sie darauf verweisen, daß der Kaiser im
Falle seiner Abwesenheit ohne weiteres die Regierung an den König delegieren
könne.
In dem Brief, mit dem Karl seinen Bruder über die Ergebnisse der Beratun-
gen mit Maximilian informierte, ging er zwar von der Prämisse aus, daß Ferdi-
nand das „Maximalprogramm“ akzeptieren werde, denn er bat ihn inständig,
sich bei den Kurfürsten nach Kräften für diese Lösung einzusetzen, und erläu-
terte die beiden anderen Versionen so, als ob sie nur für den Fall gedacht wären,
daß die Kurfürsten sich gegen seine volle Resignation sperrten59. Indessen gibt
Karls Brief die erzielte Einigung nicht vollständig wieder: Ein von Gustav Tur-
ba 1901 publiziertes „Summarium commissionis legatorum Caroli V. Imperato-
ris in causa resignationis Rom. regi facienda[e]“60 stilisiert die Aufträge für die
Abdankungsgesandtschaft vielmehr so, zuerst sei der König für die weitestge-
hende bzw. die mittlere Version zu gewinnen, ehe die Kurfürsten damit befaßt
werden könnten61. Eben hierin lag das für Ferdinand entscheidende Zugeständ-
nis: Karl wollte es respektieren, wenn der Bruder sich nicht auf das „Maximal-
programm“ einließe. Damit hatte der König für die Verhandlungen mit den
Kurfürsten freie Hand gewonnen und konnte erst ausloten, was von den Her-
ren zu erlangen war, ohne das Risiko einer persönlichen Niederlage, wenn sie
sich der reichsrechtlichen Neuerung verweigern sollten.
59 Karl an F., 8.8.1556, bei Lanz, Corr. 3, S. 707–709 (Korrekturen bei Turba, Beiträge 3, S. 271)
60 Turba, Beiträge 3, S. 314–316. Heute im Allgemeinen Verwaltungsarchiv Wien, Bestand Hof-
kanzlei, Signatur II B 4 Succession Böhmen: Akt 3 vom Jahre 1556. Beide vorhandenen, beim
Brand des Justizpalastes 1927 erheblich beschädigten Exemplare sind undatiert (freundl. Aus-
kunft von Hofrat Dr. A. Cornaro). Turbas Mitteilungen zur Überlieferung (S. 314 Anm. 1) er-
wecken Zweifel, ob das Dokument so überhaupt in der kaiserlichen Kanzlei entstanden ist; ich
möchte es für einen Anfang Dezember 1556 in Wien angefertigten Auszug aus den übersandten
Kopien der Instruktionen halten – es müßten vier gewesen sein, eine mit Ferdinand als Adressa-
ten, drei an die Kurfürsten gerichtete für die drei Stufen. Inhaltlich spiegelt das „Summarium“
ein frühes Stadium. Tatsächlich bedurfte es weder einer Gesandtschaft zu Ferdinand noch der
Rundreise zu den Kurfürsten. Turbas Datierung auf den 3.8.1556 erfolgte wohl in Anlehnung
daran, daß die einzige am 28.2.1558 zum Einsatz gekommene und darum allein erhaltene In-
struktion mit „Brüssel, 3.8.1556“ datiert ist (s. unten S. 229 mit Anm. 139).
61 „Erstlich sollen die Gesandten bei Ro. Kho. Mat. den weg suechen und befurdern, auff das
dieselbe des Reichs vollige administration und keiserliche preeminentz, hoheit, dignitet und Ti-
tul an sich nehme vnd die key. Mat. derselben allen entlade. Und dahe solchs Ir Kho. Mat. zu
thun urbutig, haben die gesandten ferner bevelch, sich zu allen und jeden Churfursten des reichs
insonderheit zu verfuegen...
Im faal aber da die Ko. Mat. des ro. keiserthumbs Titel, preeminentz vnd administration, wie
vermeldt, an sich zu nemen nicht zu bewegen wären, haben die gesandten ein andern, auch
vnderschidlichen gewalt und bevelch, mitt Ko. Mat. dahin zu handlen, das dieselb mitt des kei-
serlthums hoheit, dignitet und adminstration sich belade, vnd der titel allein der key. mat. gelas-
sen werde...“ (Turba, Beiträge 3, S. 314 u. 316; vgl. Lutz, Christianitas, S. 477 Anm. 216).
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien