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Kapitel 3: Die Übernahme des Kaisertums
1556/58218
In seiner Antwort an Karl62 betonte Ferdinand zwar noch einmal, daß die
Verhandlungen mit den Kurfürsten viel Zeit beanspruchen würden und kei-
nesfalls noch während des laufenden Reichstages erfolgen könnten, sondern
irgendwann später. Aber er bekundete nun auch seine Bereitschaft, die volle
Regierungsgewalt unwiderruflich zu übernehmen, stellte sich also auf die
zweite Stufe und ließ sogar durchblicken, daß er gegebenenfalls auch über die
Übernahme des Kaisertitels verhandeln werde63.
So konnte Karl die Hoffnung nach Spanien mitnehmen, der Bruder werde
alles tun, um ihn von allen Gewissensskrupeln zu befreien, und werde sich dar-
um bemühen, die seinem Anliegen allein genügende weitestgehende Regelung
zu verwirklichen64. Wie sehr er darauf wartete, zeigt auch eine bald nach seiner
Ankunft in Spanien an Philipp gerichtete Anfrage, ob die Gesandtschaft schon
unterwegs sei, und die Aufforderung, die Angelegenheit zu beschleunigen65.
Da im März 1558 Karls Maximalprogramm verwirklicht worden ist, ist der
selbstverständlich geheim gehaltene „Stufenplan“ der Habsburger den Zeitge-
nossen unbekannt geblieben.
Für die Zwischenzeit unterbreitete Ferdinand einen konkreten Vorschlag,
der ihm sehr wohl Unabhängigkeit bei den Regierungsgeschäften gewährleisten
sollte: Er empfahl, seine Kompetenzen nach dem Muster der ersten nach seiner
Wahl zum Römischen König für ihn ausgestellten ostensiblen Vollmacht zu
gestalten66. In dieser Urkunde waren sie so weitreichend formuliert gewesen,
daß Karl sie damals durch ein geheimes, nur den beiden Brüdern und ihren
engsten Beratern bekanntes Dokument erheblich eingeschränkt hatte67. Selbst-
verständlich war diese Beschneidung jetzt obsolet geworden. Das „offene Man-
dat“, mit dem Karl V. die Übertragung der Administration des Reiches auf
Ferdinand bekanntgab, führte anders als jene Urkunde die verschiedenen Kom-
petenzen des Königs nicht einzeln auf, sondern erklärte schlicht, er habe „alle
volkomne macht und gewalt“, während der Abwesenheit des Kaisers „fur sich
selb absolute on alles hindersichbringen an uns alles dasjenig furzunemen, zu
handlen, zu gepietten, zu erpietten, zu thun und zu lassen“, was er zu Nutzen
und Wohlfahrt des Reiches für erforderlich halte, und befahl allen Reichsstän-
den und Untertanen, dem Römischen König für die Zeit der kaiserlichen Ab-
wesenheit „getreu, hold, gehorsam und gewärtig“ zu sein68. Für die Öffentlich-
62 Wien, 21.8.1556 (HHStA Wien, Hs. blau 597/3, fol 315v-317v)
63 „...et ce pendant traicteray avec ledictes electeurs pour m’accorder avec eulx du temps et lieu
pour quant nous pouvons trouver ensamble affin de traicter dudict tiltre et les y persuader par
tous moyen que pourray excogiter principallement pour en ce obeyr au commandement de votre
majeste.“ (Ebda., fol 317r)
64 So in seinem Brief v. 12.9.1556 an F., dem letzten vor seiner Abreise (Lanz, Corr. 3, S. 710–712).
65 Gachard, Retraite 2, S. 105f
66 F. an Karl, 21.8.1556 (wie Anm. 62); vgl. Turba, Beiträge 3, S. 271f; die von Ferdinand angegebe-
ne Alternative „aus Boulogne“ vermag ich nicht zu identifizieren.
67 KF Bd. 3, S. 25ff (Nr. 457a); dazu Thomas, Moderación, passim
68 Gedruckt bei J.W. Hoffmann 1, S. 14–17, das Zitat S. 15. Ein Exemplar des zum öffentlichen
Anschlag bestimmten Plakats in HHStA Wien, RK RTA 37, fol 43. Das Datum Sudburg in See-
land, 7.9.1556. – Ein Verbot Karls, ihn in deutschen Angelegenheiten um Rat zu fragen (so Ty-
ler, Karl V., S. 122), war darin aber nicht enthalten.
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien