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Der Frankfurter Staatsakt: Die Proklamierung Ferdinands zum Kaiser 231
ohne Umschweife vorgetragen. Zur Begründung führten die Protestanten aus,
es stehe ihnen nicht zu, dem König Vorschriften zu machen, wie er sich gegen-
über dem Papst verhalten wolle; der Augsburger Reichstagsabschied von 1530,
auf den Ferdinands Kapitulation Bezug nahm, sei durch den von 1555 aufgeho-
ben, weshalb ein Verweis auf diesen jüngeren Abschied inseriert werden müsse.
Natürlich verteidigten die Katholiken die Schutzpflicht des Kaisers gegenüber
Papst und Kirche, wobei Mainz darauf beharrte, sie bleibe auf jeden Fall gültig,
weil Ferdinand sie mit der Kapitulation von 1531 beschworen habe, und Trier
empfahl, die Frage dem König zur Entscheidung anheimzustellen. Die Erwäh-
nung des Augsburger Religionsfriedens suchten sie zwar als eigentlich überflüs-
sig darzustellen, indem sie seine Verbindlichkeit nicht nur selbst ausdrücklich
anerkannten, sondern auch betonten, daß der König sich zweifellos ebenfalls
daran gebunden halte, ließen sie dann aber stehen146.
Die Tragweite der protestantischen Forderungen veranlaßte den Kurfürsten
von Mainz in der nächsten Sitzung zu dem Vorschlag, die alte Kapitulation
Ferdinands unverändert bestehen zu lassen und Ergänzungen wie die Ver-
pflichtung auf den Augsburger Religionsfrieden besser in einer vom König zu
bewilligenden „Nebenverschreibung“ niederzulegen. Die Diskussionen darüber
beanspruchten anderthalb Tage und wurden zuletzt wieder von den Kurfürsten
persönlich geführt147. Das Mainzer Argument, Ferdinand könne die Überar-
beitung zum Anlaß nehmen, seinerseits die Aufhebung anderer älterer Pflichten
zu verlangen, machte freilich keinen Eindruck. Die beiden anderen geistlichen
Kurfürsten traten zwar auf die Seite des Mainzers, aber ihre Warnungen, Ände-
rungen an der alten Kapitulation könnten dazu führen, daß der Papst Ferdinand
die Kaiserkrönung verweigern oder sogar eine Translatio Imperii vornehmen
würde148, provozierten die Protestanten zu Erklärungen, es wäre „mehr auf
Kurfürsten als Papst zu achten“, päpstliche Translationen seien schon mehrmals
„ohne Fug“, also zu Unrecht und ohne Wirksamkeit, vorgenommen worden,
und wenn der Papst tatsächlich derartige Schritte unternehmen würde, „wäre
ein jeder schuldig, Gegenwehr zu tun“149. Einmütig bestanden die Protestanten
darauf, eine „Nebenobligation“ sei nicht ausreichend, und brachten dafür juri-
stische und politische Gründe vor. Die These, die Kapitulation von 1531 sei nur
auf den Todfall des Kaisers ausgestellt und werde daher jetzt gar nicht rechts-
wirksam150, entbehrte nicht juristischer Spitzfindigkeit. Rationaler war das Ar-
gument, das Nebeneinander von alter „Haupt-“ und neuer „Nebenobligation“
werde zu Rechtsunsicherheit führen151. Ferner konnten die Protestanten den
Trumpf ausspielen, daß man anfangs mehrheitlich die Vorlage einer neuen Ob-
146 HHStA Wien, MEA WuKA 4, fol 162v-170v, Protokoll zum 2.3.1558 „ante prandium“.
147 HHStA Wien, MEA WuKA 4, fol 170v-188r: Protokoll zum 2.3. „post prandium“ und zum
3.3.1558; Auszüge gedruckt bei Kleinheyer, S. 147–151
148 Kleinheyer, S. 148
149 Pfalz bzw. Sachsen (Kleinheyer, S. 149 u. 150)
150 Von Kleinheyer, S. 74 u. 145 m.E. überbewertet.
151 „dann die alte Obligation würde für die Hauptsäule geachtet und die Nebenobligation weniger
geachtet werden“ (Sachsen); „...würde auch Irrung bringen von wegen, daß alte und Nebenobli-
gation würden widereinander laufen“ (Brandenburg). Zitiert nach Kleinheyer, S. 150
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien