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Kapitel 3: Die Übernahme des Kaisertums
1556/58232
ligation beschlossen hatte152. Einleuchten mußte allen Kurfürsten die politische
Argumentation, es gehe hier um einen Vorgang eigener Art, weil der König „nit
zum Kaisertum kommt vermöge koniglicher Wahl, welche auf Todfall steht,
sondern per resignationem mit Wissen der Kurfürsten, die ihren Consens ge-
ben“, und es sei im Reich „Herkommen, daß mit einem neuen Kaiser neue Ob-
ligationes gemacht“; denn dadurch wurde unterstrichen, daß gerade auf diese
Weise die kurfürstliche Mitwirkung verdeutlicht und dem Eindruck vorgebeugt
werden könne, es handele sich um eine gewöhnliche Nachfolge153. So ist es
schließlich dabei geblieben, daß Ferdinand eine Überarbeitung der älteren Ka-
pitulationstexte als „neue Obligation“ vorgelegt worden ist154.
Als ein Ergebnis des kurfürstlichen Ringens wurde im Artikel 1 der Wortlaut
der Wahlkapitulation Karls V. wiederhergestellt155; damit war die Bezugnahme
auf den für die Protestanten nachteiligen Abschied von 1530 gefallen, anderer-
seits nahmen die Protestanten die Verpflichtung des Kaisers als „Advocat“ des
päpstlichen Stuhles hin. Anscheinend hatte Ferdinand von der Diskussion er-
fahren und wissen lassen, daß er sich einer Änderung in diesem Punkt entschie-
den widersetzen werde156; denn in der abschließenden Beratung des Textes
gaben die Protestanten nochmals zu Protokoll, sie wollten dem König für sein
Verhalten gegenüber dem Papst keine Vorschriften machen, insofern könnten
sie dem Artikel nicht zustimmen, doch ließen sie es „so pleiben“157. Und es hat
den Anschein, als hätten sie in einem zweiten Sondervotum Ferdinand abgera-
ten, beim Papst alsbald um die Krönung nachzusuchen158 – auch dies eine bis-
her selbstverständliche Pflicht, die aus Karls Wahlkapitulation herübergenom-
men worden war und stehen blieb159. Ottheinrich allerdings glaubte auf einen
152 Sächsische Stellungnahme am 3.3. (wie Anm. 147, fol 177v)
153 So auch Kleinheyer, S. 75; die Zitate ebda S. 150 (aus dem Votum Brandenburgs). Leeb, Reichs-
tagsgeschehen, S. 241
154 Druck der Obligation von 1558 bei Goldast, Reichshändel, S. 162–165, und bei Ziegler S. 22ff;
ebda S. 37 ein Vergleich mit Karls Wahlkapitulation. Hinweise auf archivalische Überlieferung
bei Leeb, Reichstagsgeschehen, S. 242 Anm. 24
155 Ein Konzept der Obligation mit Korrekturen (HHStA Wien, MEA WuKA 4, fol 26r-43r) weist
zwei Schritte aus: Textbasis war zunächst Ferdinands Kapitulation von 1531, doch fehlt schon
der – in nachstehendem Zitat eingeklammerte – Hinweis auf den Abschied von 1530; sodann
wird die Formel „bei den alten loblichen und wolherprachten glauben, religion und ceremonien
[vermug des jungsten zu Augspurg aufgerichten abschidt] bis zu entlicher determination eines
kunfftigen gemeinen concilii“ ersetzt durch „als derselbigen advocat“ (fol 29r/v).
156 Vgl. dazu die bei Kleinheyer S. 75 Anm. 23 zitierte Bemerkung Selds, wonach Ferdinand in
Frankfurt der angestrebten Änderung „deß Röm. Stuhls halben...nicht allein sich demselben
zum höchsten widersetzet, sondern auch mit Mühe erhalten, daß es dißfalls bey der alten Form
gelassen worden“ (= Goldast, Reichshändel, S. 198). Das ebda. wiedergegebene Mainzer Votum
für die Beibehaltung des alten Wortlautes allein kann die Protestanten nicht zum Nachgeben
bewogen haben.
157 HHStA Wien MEA WuKA 4, fol 199v-207r: Protokoll zum 5.3.58
158 Am 15.8.1559 wiesen die Räte der weltlichen Kurfürsten in einem Sondervotum auf diesen von
ihren Herren in Frankfurt gegebenen Ratschlag hin (zitiert von Dotzauer, Ausformung, S. 68
nach HHStA Wien, MEA WuKA 3). Einen aus den Frankfurter Tagen 1558 stammenden Beleg
habe ich nicht gefunden – und Dotzauer anscheinend auch nicht.
159 Art. 27 (Zählung Ziegler); im Mainzer Konzept (s. Anm. 155) fol 41v. Wohl war bei der Bera-
tung aufgefallen, daß die Vorlagen noch zwei Krönungen postulierten, doch „die erste wer
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien