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Kapitel 3: Die Übernahme des Kaisertums
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Karls V. hinaus und erfolgte in Gestalt einer Einfügung in einen anderen Arti-
kel165. Substantiell war der Versuch, die eigene kurfürstliche Sonderstellung
noch mehr zu stärken: Die Herren verlangten die Bestätigung ihres „gesonder-
ten Rates“ in Reichsangelegenheiten sowie Verschonung vor gemeinsamen
Ständeausschüssen166.
Zur endgültigen Verständigung hatte es sogar einer persönlichen Zusam-
menkunft der Kurfürsten am Sonntag (6.3.) bedurft; sie spürten, daß sie den
König nicht noch länger auf ihre Stellungnahme zu der kaiserlichen Botschaft
warten lassen durften.
Weitgehende Einigkeit bestand hingegen, als am 4. März der Wortlaut des
dem König zu erteilenden Ratschlages besprochen wurde, die Mitwirkung der
Kurfürsten unmißverständlich herauszuarbeiten. Trier schlug vor, die Anfrage
an Ferdinand, ob er den Kaisertitel doch schon zu Lebzeiten Karls annehmen
wolle, mit der Aussage zu verbinden, „uff welchen fal dan churf. bedacht, resi-
gnation zulassen und den consensus zu geben“. Köln plädierte dafür, „das man
gegen konig sich soviel vernemen liesse, das kaiserthumb nit von wegens resi-
gnationem, sonder von churfursten her komen“167. Der Gedankengang der
Ferdinand zu übergebenden Replik ist daraufhin in seinen wesentlichen Zügen
in dieser Sitzung von Sachsen entwickelt, danach von Mainz schriftlich vorge-
legt und schließlich in der Sitzung am 6. März approbiert worden. Sie begann
mit der Behauptung, die Kurfürsten hätten am liebsten gesehen, wenn der Kai-
ser die Regierung zeitlebens behalten hätte, nahm sodann ihre Entbindung von
den Pflichten gegenüber Karl zur Kenntnis, würdigte Ferdinands Anstrengun-
gen, den Bruder umzustimmen, und äußerte die Kritik, angesichts der Bedeu-
tung des kaiserlichen Amtes hätte die Resignation „mit merer solemnitet be-
schehen können“. Darauf folgte der Ratschlag der Kurfürsten: Da Ferdinand
schon zum König gewählt sei, Erfahrung mit der Regierung des Reiches habe
und sie um seine guten Absichten wüßten, hielten sie es für „ratsam, nutzlich
und gut, das ire Mt. die kaiserliche regierung, dignitet, hochait, tittl, scepter und
cron auf sich nemen und derselben allergnedigst vorweren“; sie bäten ihn also,
das von Karl niedergelegte Kaisertum zu übernehmen. Die von Karl ausgespro-
chene direkte Übertragung des Kaisertums an Ferdinand wurde – natürlich mit
voller Absicht – mit Stillschweigen übergangen. Es folgten die Mitteilungen,
daß man eine revidierte Obligation für angezeigt halte und entworfen habe und
außerdem eine Liste der seit Passau noch immer anhängigen Gravamina verfaßt
habe168.
Mit der abschließenden Bemerkung, man habe das Vertrauen, „das man sich
zu irer Mt. Regierung dergleichen nit zu besorgen“, relativierten die Kurfürsten
165 Artikel 26 (Zählung Ziegler); der Antrag HHStA Wien, MEA WuKA 4, fol 174r/v (vgl. Lutten-
berger, Kurfürsten, S. 59f)
166 Das sollte in Artikel 26 (=28) eingefügt werden.
167 HHStA Wien, MEA, WuKA 4, fol 195v-199r: Protokoll zum 4.3.1558; die Zitate fol 196r u.
196v
168 HHStA Wien, MEA WuKA 4, fol 22–24; Kopien ebda, RK RTA 41 und Rig 36, fol 13r-14r;
Druck mit einigen unwesentlichen Abweichungen bei J.W. Hoffmann 1, S. 38–40
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien