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Der Frankfurter Staatsakt: Die Proklamierung Ferdinands zum Kaiser 235
selber die Bedeutung dieser Zusammenstellung169. Sie war wohl in erster Linie
eine „Pflichtübung zur Beruhigung der übrigen Reichsstände und zur Demon-
stration der kurfürstlichen Führungsrolle“170 und hat Ferdinand und seine Be-
rater nicht sonderlich beeindruckt. Soweit Klagen wiederholt wurden, die seit
dem Fürstenaufstand gegen die Regierungspraxis Karls V. vorgebracht worden
waren, brauchte Ferdinand sich nicht betroffen zu fühlen. Seine Zusage, sie in
Bedacht nehmen und, wo es erforderlich sei, für Besserung bzw. Abhilfe sorgen
zu wollen, war nichtssagend. Mit dem Monitum, es habe den Kurfürsten ihre
freie Wahl „vor der zeit abgestrickt und sie jetzo alsbaldt zu weggebung irer
stim verbunden hetten wollen werden“, wurde späte Kritik an Karls unzeitigem
Sukzessionsprojekt geübt. Für Ferdinand mochte das eine Warnung sein, kei-
nesfalls zu früh die Festlegung seines Nachfolgers anzustreben. Indessen lag das
in Frankfurt gar nicht in seiner Absicht; er wußte, daß er die Kooperationswil-
ligkeit der Kurfürsten überfordert hätte171. Vorsicht war für den König vor
allem bei dem Teil geboten, in dem die Kurfürsten ihre Sonderstellung weiter
auszubauen trachteten. Sie erwarteten die Anerkennung ihres Rechtes, jederzeit
zusammentreten und Reichsangelegenheiten beraten zu dürfen; sie beanstande-
ten, daß man ihnen auf den Reichstagen zumute, mit den anderen Ständen in
einem gemeinsamen Ausschuß zu verhandeln. Beide Punkte suchten sie auch
durch Aufnahme in Ferdinands neue Obligation in ihrem Sinne endgültig zu
regeln172. Ferner beklagten sie, daß in letzter Zeit bei zwiespältigen Voten von
Kurfürstenrat und Fürstenkurie ihnen die Verantwortung für den Konflikt „mit
ungnedigen worten“ zugeschoben worden sei, statt ihrer Meinung beizupflich-
ten – wie es sich ihres Erachtens gehörte173. Und sie rügten, daß das Reichs-
kammergericht Klagen gegen sie annehme. Bedenklich für den neuen Kaiser
und vor dem Hintergrund der Kämpfe zwischen Frankreich und Philipp II.
nicht ohne Brisanz war endlich der Vorwurf, es bedeute eine Einschränkung
der Freiheit der deutschen Fürsten, wenn ihnen in jüngerer Zeit verboten wor-
den sei, in auswärtige Kriegsdienste zu treten, selbst wenn der auswärtige Herr-
scher nicht Feind des Reiches sei, sondern nur Gegner in den „Privatkriegen“
169 HHStA Wien, RK RAig 36, fol 39r-46v (Kopie)
170 Luttenberger, Kurfürsten, S. 63
171 Herzog Albrecht von Bayern scheint das immerhin für möglich gehalten zu haben, denn ihm
teilten nacheinander Zasius und Seld (der damals noch nicht in Ferdinands Diensten stand) mit,
daß eine Königswahl in Frankfurt kein Thema sei. Zasius: „De alio rege Romanorum nihil“
(Goetz, Beiträge, S. 104); Seld: „Von der nebenwal eines Römischen Königs wird gar nichts ge-
redt“ (Goetz, Wahl, S. 47 Anm. 1).
172 Vgl. Hartung, Wahlkapitulationen, S. 72
173 Darüber hatte Zasius sich schon 1555 mokiert: „Daz ja ire Mten. hinfuran allwegen dem Be-
denkhen des Churfurstenraths zufaal zuthuen schuldig sein sollen, wann sy daz erhielten, so we-
ren sy ja wol die rechten Monarchi und Kaiser und Khunige, auch der ubrige gantz rest aller
stend des haill. reichs ihnen unnderwurffig gemacht, aber wie sich Bayern und Württemberg
vernemen lassen, so sollen sy und ire nachkhommen daz nit ee erlangen, dann sy zuvor alle fur-
sten des reichs mitt heres crafft bezwungen und uberwunden haben“ (an Maximilian, 19.4.1555,
in HHStA Wien, RK, Berichte aus dem Reich 4 Konv. II, fol 21r; Regest bei Druffel 4, S. 659).
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien