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Kapitel 3: Die Übernahme des Kaisertums
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sehen185, ist durch den Trierer Vorschlag sowie den Umstand, daß die Anre-
gung für den schon traditionellen Titel von Ferdinand selbst gekommen ist, der
Boden entzogen186.
Wußte Ferdinand es wirklich nicht besser, als er ein Jahr später die Behaup-
tung aufstellte, er führe den „bescheideneren“ Titel „Erwählter Römischer Kai-
ser“ in Anlehnung an seine beiden letzten Vorgänger, die das auch selbstver-
ständlich getan hätten187? Offenbar hat er so wenig wie Karl V. eine Mitwir-
kung des Papstes bei seiner Übernahme des Kaisertums in Betracht gezogen. In
allen ihren Äußerungen dazu reden beide Habsburger von der Übergabe auch
des Titels und der Krone, ohne des Papstes je zu gedenken. Während Karl V. es
nicht für nötig gehalten hat, den Papst – den Coronator – von seiner Abdan-
kung auch nur zu unterrichten, hat Ferdinand sein Mögliches getan, um wäh-
rend der Frankfurter Tagung eine Intervention der Kurie zu verhindern. Daß er
den „Internuntius“ Linterius über den Zweck der Zusammenkunft im unklaren
ließ, läßt sich in die äußerste Diskretion einfügen, mit der Ferdinand die Ab-
dankung behandelt hat, und er scheint dann, um ihn als Reisebegleiter loszu-
werden, die päpstliche Ankündigung eines neuen ordentlichen Nuntius ausge-
nutzt zu haben; er bewog ihn zur Heimkehr188. Der neue Vertreter des Papstes,
Agustin, reiste allerdings direkt nach Frankfurt, wo er am 6. März eintraf. Fer-
dinand scheint ihn auch alsbald empfangen zu haben189. Indessen war die Ent-
scheidung der Kurfürsten da schon gefallen, und weder in deren internen Be-
ratungen noch in Ferdinands Besprechungen mit ihnen hat die Anwesenheit des
Nuntius Erwähnung gefunden. Von einem Protest seinerseits ist ebenfalls
nichts bekannt, und da er anschließend zur Besprechung anderer Themen nach
Wien gereist ist, ist auch unwahrscheinlich, daß er für die Resignation über-
haupt einen Auftrag hatte190. Insofern konnte Ferdinand ein Jahr später mit
185 Dotzauer, Ausformung, S. 65; auch der Interpretation, die Dotzauer, dem Attribut „erwählt“
gibt (S. 63), vermag ich nicht zu folgen.
186 Eher fügt sich jener Umgang mit dem Kaisertitel ein in die in Frankfurt erfolgten Anknüpfung
an die Tradition des Kurvereins: Wenn man sich jetzt gegenseitig zusicherte, falls jemand sich
unterstehen wolle, das „Heilige Römische Reich ... von Teutscher Nation ... zu transferieren und
zu verändern“ – das konnte nur auf von der römischen Kurie erhobene Ansprüche zielen –, da-
gegen gemeinsam Widerstand zu leisten (Duchhardt, Kaisertum, S. 55, das Zitat nach Anm. 17),
war das ein Rückgriff auf das Gedankengut der Weistümer des Kurvereins von Rhens 1338
(Stengel, S. 116ff; Becker, Kurfürstenrat, S. 63ff).
187 HHStA Wien, MEA WuKA 3, fol 14–21: Selds Vortrag am 4.3.1559 vor dem Kurfürstenrat, fol
17v
188 Zu Linterius vgl. NB I 17, S. LVI; Turba, VD 3, S. 51 Anm. 2. Unsinnig ist Fichtner, Ferdinand,
S. 228, Ferdinand habe es unterlassen, einen päpstlichen Nuntius zu seiner Krönung nach Aa-
chen im März einzuladen.
189 Vgl. den Bericht Mocenigos an den Dogen v. 8.3.1558 bei Turba, VD 3, S. 17 Anm. 1
190 Ich halte es daher für unwahrscheinlich, daß Agustin Auftrag hatte, päpstliche Mitwirkungsan-
sprüche anzumelden, was Ferdinand ihm verwehrt habe. Die Forschung tradiert diese Vermu-
tung weiter, obwohl keine quellenmäßige Stütze beigebracht worden ist (Reimann, Streit, S.
301f, Schmid, S. 5f, Pieper, S. 116f, Höslinger, Rechtshistoriker, S. 438f, Duchhardt, Kaisertum,
S.57, Leeb, Reichstagsgeschehen, S. 245). Vorsichtiger H. Goetz in NB I 17, S. LXIII: „... ist mit
Recht anzunehmen, daß Agustin ... nicht im Sinne des Papstes interveniert hat.“ Riess, S. 330f
nahm Geheimverhandlungen an, deren Ergebnis die Sendung Gúzmans nach Rom (s. Kapitel 4,
S. 255ff) gewesen wäre; auch das ist mangels Quellen unbewiesen und nicht wahrscheinlich.
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien