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Der Frankfurter Staatsakt: Die Proklamierung Ferdinands zum Kaiser 239
Recht die päpstliche Empörung für unverständlich erklären, denn die Resigna-
tion sei „publicus notorius offenlich vor aller menigs ergangen“, und der Papst
habe „ainen iren nuncium an irer Mt. hoff daselbs in Franchfort gehabt“191.
Dennoch hat Ferdinand nicht an eine Loslösung seines Kaisertums von des-
sen katholischer Fundierung gedacht. Nicht nur an sein Beharren auf Beibe-
haltung der kaiserlichen Funktion des „advocatus ecclesiae“ ist zu erinnern,
ebenso ist mit seiner Billigung – wenn nicht sogar auf sein Verlangen – in der
neuen Obligation die Verpflichtung stehen geblieben, sich bei Gelegenheit beim
Papst um die Kaiserkrönung zu bemühen192. Das schließt nicht aus, daß Ferdi-
nand vielleicht schon damals Ansichten hegte, die sich ein Jahr später in einem
Vortrag finden, den er dem KurfĂĽrstenrat zu Beginn des Augsburger Reichsta-
ges ĂĽber die Weigerung Papst Pauls IV., ihn als Kaiser anzuerkennen, halten
ließ: Eine päpstliche Superiorität über das Reich, hieß es darin, sei „in zeitlichen
Sachen“ nicht gegeben, und die Resignation an den Papst bedeute eine Schmäle-
rung des Rechtes der Kurfürsten, „so sie zu einer romisch Kaiser wall ha-
ben“193. Sicher war es auch ein nüchternes Abfinden mit den veränderten Gege-
benheiten, die eine BerĂĽcksichtigung des Papstes als untunlich erscheinen lie-
ßen. 1530/31 hatten die Habsburger, weil die Wahl „vivente imperatore“ in der
Goldenen Bulle nicht vorgesehen war, sie aber jeder Anfechtung vorbeugen
wollten, sich um päpstliche Indulte bemüht, welche die Mängel heilen sollten,
die aus dem ärgerlichen Umstand erwachsen konnten, daß ein Kurfürst evange-
lisch war (entweder Teilnahme eines „Häretikers“ oder Ausschluß eines Kur-
fürsten)194. Nun aber – und das sollte dann auch 1562 für die Wahl Maximilians
II. gelten – waren drei Kurfürsten Protestanten, ihre Mitwirkung konnte ein-
fach nicht mehr als Mangel betrachtet werden, zumal das Kurkollegium trotz
der religiösen Spaltung unerschütterliche Solidarität bewies: Wie die katholische
Mehrheit 1530 auf der Einladung Johanns von Sachsen nach Köln bestanden
hatte, so gab es auch später keine Versuche, den protestantisch gewordenen
Kurfürsten die Session zu bestreiten. In Frankfurt erklärten die geistlichen
Kurfürsten ihren weltlichen Kollegen, es sei eine selbstverständliche Konse-
quenz des Augsburger Religionsfriedens, daĂź kein KurfĂĽrst wegen seiner Kon-
fession etwa von der Teilnahme an der Königswahl ausgeschlossen werden
dürfe195. –
Der feierliche Staatsakt, ĂĽber dessen Einzelheiten noch mehrere Tage ver-
handelt wurde, diente den Kurfürsten dann dazu, ihre Position noch stärker zu
verdeutlichen, daĂź das Kaisertum nicht einfach von Karl auf Ferdinand ĂĽberge-
he, sondern auf Grund ihrer Zustimmung. In ihrer Entgegnung auf Ferdinands
Annahmeerklärung hatten sie auch die Frage gestellt, ob der König Vorschläge
191 HHStA Wien, MEA WuKA 3, fol 15r (aus Selds Vortrag vor dem KurfĂĽrstenrat, 4.3.1559); vgl.
Bucholtz 7, S. 413f.
192 Die Aussage von Wiesflecker, Kaiserproklamation, S. 30, Ferdinand habe den Titel angenommen
„in der klaren Voraussicht, daß angesichts der Glaubensspaltung an einen Römerzug und an eine
päpstliche Krönung nie mehr zu denken sei“, ist nicht haltbar.
193 HHStA Wien, MEA WuKA 3, fol 14–21: Selds Vortrag am 4.3.1559, bes. fol 16r u. 19v
194 Vgl. Laubach, Karl V. , S. 30f
195 HHStA Wien, ebda, fol 275r-277v; zu diesen Beratungen Luttenberger, KurfĂĽrsten, S. 35ff.
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- MĂĽnster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien