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Kapitel 3: Die Übernahme des Kaisertums
1556/58242
Ferdinand akzeptierte das kurfürstliche Programm. Er konnte das gefahrlos
tun, weil das für Kaiser Karl und ihn entscheidende Ziel erreicht war. Die Sor-
ge, die Kurfürsten könnten Schwierigkeiten bereiten, hatte sich als unbegründet
erwiesen, Ferdinand konnte die Nachfolge seines Bruders reibungslos antreten.
Um ja keinen Anlaß zu späteren Irritationen zu geben, ließ er die Kurfürsten
vorsorglich darauf hinweisen, daß er noch nicht über das kaiserliche Siegel ver-
füge und daher die Obligation mit dem Königssiegel ausfertigen müsse; selbst-
verständlich werde er sie trotzdem getreulich beachten205.
In gewisser Weise ist Ferdinand in Frankfurt den Weg des geringsten Wider-
standes gegangen, wodurch die Frankfurter Tagung für ihn ein voller Erfolg
geworden ist. Er bewies seine große taktische Geschmeidigkeit, die sich mit
dem Verhalten seiner Vertreter bei der böhmischen Königswahl 1526 verglei-
chen läßt, das der junge Erzherzog damals gebilligt hat. Obwohl er in Böhmen
ein Erbrecht als Gemahl von Anna Jagiellonica zu haben glaubte, ist damals
nicht darauf insistiert worden, sondern die Wahl wurde akzeptiert206. Später hat
er seine Machtposition genutzt, um nun den Erbanspruch als ausschlaggebend
für seine Thronfolge in Böhmen schriftlich zu fixieren – streng genommen also
die Tatsachen in seinem Sinne umzudeuten207. Mochten in Frankfurt die Kur-
fürsten ihre Mitbestimmung betonen. Da Ferdinand schwerlich daran gedacht
haben dürfte, selbst auch einmal abzudanken, brauchten ihn ihre Sorgen, es
müsse eine Präzedenzregelung geschaffen werden, nicht zu kümmern. Bei Kö-
nigswahlen nach dem Tod des Herrschers oder auch vivente imperatore galten
ohnehin wieder die Vorschriften der Goldenen Bulle. Die Bestätigung des
Augsburger Reichstagsabschieds aber bot auch Ferdinand Vorteile, hatte er
doch während des Regensburger Reichstages schon wieder Angriffe der Prote-
stanten auf den Geistlichen Vorbehalt abwehren müssen. So schwer es ihm bei
seiner Anhänglichkeit an den katholischen Glauben persönlich fallen mochte,
im Reich noch eine andere Konfession dulden zu müssen, als Politiker war er
pragmatisch genug, herrschte er doch als König von Böhmen seit 30 Jahren
über ein Land mit zwei anerkannten Konfessionen und strebte auch hier eine
Wiederherstellung der Glaubenseinheit an208.
Die hübsche Idee des Kurfürsten Joachim, den Staatsakt schon am 10. März
vorzunehmen, weil Ferdinand Geburtstag hatte, „an welchem es etwa gefellig
sein werde, das ir May. zu der kay. hocheit erhoben“209, ließ sich wegen der
langwierigen Diskussion über das Programm und der für die Errichtung des
Podiums im Chor des Domes benötigten Zeit nicht verwirklichen. So fand die
Feier am 14. März 1558 statt.
205 HHStA Wien, MEA WuKA 4, fol 232v: Notiz über die Unterredung am 10.3. zwischen König
und Kurfürsten. – Christiane Thomas machte mich darauf aufmerksam, daß Ferdinand nach
Übernahme der Administration des Kaiseramtes im Herbst 1556 bis zum Frankfurter Tag pein-
lich darauf bedacht war, ausschließlich Namen und Wappen des Römischen Königs zu führen;
das kaiserliche Emblem, den Doppeladler, hat er bis zur Kaiserproklamation nicht verwendet.
206 Vgl. dazu Rezek, S. 17–20; Bretholz, S. 79f; Turba, Thronfolgerecht, S. 271–281
207 Turba, Thronfolgerecht, S. 283ff; vgl. auch Bahlcke, S. 157
208 Die Parallele sieht auch Hantsch, Geschichte 1, S. 258f. u. 291.
209 In der Sitzung am 9. März (HHStA Wien, MEA WuKA 4, fol 218v)
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien