Page - 248 - in Ferdinand I. als Kaiser - Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
Image of the Page - 248 -
Text of the Page - 248 -
Kapitel 3: Die Übernahme des Kaisertums
1556/58248
wollte, den Glaubenszwiespalt im Reich zu überwinden, und ließ durchblicken,
daß die Uneinigkeit unter den Evangelischen eine wesentliche Ursache für Frie-
densstörungen werden könne, indem er behauptete, unter dem Deckmantel der
Augsburgischen Konfession seien mehrere „Sekten“ im Reich eingerissen241.
Den weitaus größten Teil beanspruchten die Ausführungen zum dritten
Thema, die den Kurfürsten eine Stellungnahme zu der Frage entlocken sollten,
ob Ferdinand die ihm im letzten Oktober überbrachten Friedensbedingungen
des Sultans annehmen solle. Das Friedensangebot war ernst zu nehmen, weil es
von einem Befehl des Sultans an seine Statthalter in Ungarn flankiert war, Waf-
fenruhe zu beobachten; darum hatte Ferdinand, nachdem er die Zusicherung
erlangt hatte, daß das auch für Siebenbürgen gelten sollte, ebenfalls Waffenruhe
angeordnet und danach die Entlassung der auf der Basis der in Regensburg
bewilligten Türkenhilfe angeworbenen Truppen verfügt242. Anstatt aber seine
eigene Meinung kundzutun, verbreitete sich Ferdinand über den Verlauf seiner
Friedenssondierungen seit 1553, um seinen guten Willen zu betonen, und ließ
den Kurfürsten die Voten referieren, welche die Stände Ungarns, Böhmens und
Niederösterreichs Anfang Dezember bei einem gemeinsamen Landtag in Wien
zu dem Angebot des Sultans abgegeben hatten243. Offenbar beabsichtigte Fer-
dinand, auf diese Weise spätere Kritik abzublocken, ein möglicher Friedens-
schluß wäre an seiner Unnachgiebigkeit gescheitert; denn alle drei Voten der
genannten Stände warnten davor, viel Vertrauen in den türkischen Friedens-
willen zu setzen, und empfahlen, auf Zeit zu spielen, sich mittlerweile der Hilfe
des Reichs und anderer christlicher Herrscher zu versichern und auf Gott zu
vertrauen, der „ir Maj. sambt derselben khunigreich und landen nit lassen zu
boden geen“244. Vorsorglich wies Ferdinand darauf hin, daß eine Ablehnung
der türkischen Bedingungen Krieg, sogar einen vom Sultan persönlich geführ-
ten Feldzug zur Folge haben könne, zu dessen Abwehr er allein viel zu schwach
sei, daß aber auch bei einem günstigeren Friedensschluß hohe Unkosten für die
Aufrechterhaltung der Verteidigungslinien anfallen würden. Er knüpfte daran
das Ersuchen, Rückstände bei den Beitragszahlungen zur letzten Türkenhilfe
umgehend auszugleichen und damit anderen säumigen Reichsständen ein gutes
Vorbild zu geben; denn die bisherigen Eingänge hätten zur Deckung der Auf-
wendungen für 2600 Reiter und 12 Fähnlein Fußknechte nicht ausgereicht, so
daß Darlehen aufgenommen werden mußten245. Damit wollte er rechtfertigen,
daß die vom Regensburger Reichstag bewilligten Gelder ausgegeben worden
waren, obwohl 1557 kein größerer türkischer Angriff erfolgt war.
Aus der Wichtigkeit der bisher angeführten Probleme leitete Ferdinand die
Notwendigkeit eines neuen Reichstages ab, den er zum 1. November 1558 nach
241 fol 48v-49r
242 Vgl. Maurenbrecher, HZ 50, S. 55f.; Loserth, Innerösterreich, S. 60
243 fol 49v-62r; zu den osmanischen Friedensbedingungen s. Kapitel 10, S. 638f
244 fol 60v; vgl. auch Martels, S. 209ff
245 fol 63r
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
back to the
book Ferdinand I. als Kaiser - Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V."
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien