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KAPITEL 4
DER STREIT MIT PAPST PAUL IV. – NEUE BEGRÜN-
DUNG DES KAISERTUMS
Erfolglose Sendung zu Paul IV.
Ferdinand hatte in Frankfurt dafür Sorge getragen, daß die Kurie in den staats-
rechtlichen Vorgang, durch den er die kaiserliche Würde übernahm, nicht ein-
greifen konnte, und hatte ohne Bedenken den Titel „Erwählter römischer Kai-
ser“ zu führen begonnen. Die traditionelle Verbindung des Kaisertums mit der
römischen Kirche bestand für ihn gleichwohl fort, die auf ihre Auflösung zie-
lenden Vorschläge der Protestanten hatte er zurückgewiesen. Trotz aller Span-
nungen mit Rom, die einerseits durch die Entwicklung der kirchlichen Verhält-
nisse im Reich, insbesondere die rechtliche Anerkennung der Augsburgischen
Konfession mit ihren weitreichenden Folgen für das Kirchenwesen in Nord-
deutschland, andererseits aber durch die grimmige Abneigung Papst Pauls IV.
gegen die Habsburger verursacht waren1, wollte der neue Kaiser die Formen
wahren, ja versuchen, die Beziehungen zu verbessern. Ende April 1558 ordnete
er mit Martin Gúzman einen seiner vertrautesten und bewährtesten Diplomaten
nach Rom ab, um dem Papst die Übernahme des kaiserlichen Amtes anzuzei-
gen.
Indessen nahm Paul IV. die Abdankung Karls V. zum Anlaß, um noch ein-
mal eine „fast mittelalterlich anmutende“ Auseinandersetzung (Repgen) um die
Superiorität des Papsttums über das Kaisertum vom Zaun zu brechen. Er be-
trachtete den Frankfurter Staatsakt als ungültig, weil er meinte, die Abdankung
des Kaisers hätte in seine, des Papstes, Hände erfolgen müssen, keinesfalls aber
in die der Kurfürsten, zu denen drei Häretiker gehörten. Daß schon Papst Juli-
us III. anläßlich der innerfamiliären Verhandlungen über die Sukzession im
Kaisertum 1551 beiläufig päpstliche Ansprüche auf Mitwirkung zum Ausdruck
gebracht hatte, dürfte den Habsburgern schwerlich bekannt geworden sein2.
Aber mehrere Berichte von Diplomaten enthalten die Nachricht, Paul IV. habe
schon vor Karls Abdankung geäußert, als Vikar Gottes auf Erden könne er
Kaiser und Königen ihre Reiche nehmen; oder, er erwäge, das Kaisertum auf
Heinrich II. zu übertragen3. Davon hatte man auch in Wien gehört, denn in
einem internen Papier zur Vorbereitung des Frankfurter Kurfürstentages war
als ein eventuell dort zu erörternder Punkt die angebliche Absicht des Papstes
aufgeführt, „das römisch reich uff gedachten könig zue frankreich [zu] transfe-
riern“, was er damit begründe, daß die weltlichen Kurfürsten Schismatiker und
1 In dem Krieg zwischen dem Papst und Philipp II. beobachtete Ferdinand Neutralität und war
gegebenenfalls zur Vermittlung bereit. Der Friede wurde am 12. 9. 1557 geschlossen (Pastor,
Päpste 6, S. 438ff).
2 NB I 12, S. XLV
3 Pieper, S. 85 Anm. 2 (Berichte vom Mai 1556); Ribier 2, S. 716 (Januar 1558) u. S. 665 (Novem-
ber 1556).
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien