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Kapitel 4: Der Streit mit Papst Paul IV. â Neue BegrĂŒndung des
Kaisertums264
Wiedereröffnung des ökumenischen Konzils anbiete48. Weder Delfino noch
Gropper haben Paul IV. zum Einlenken bewegen können.
Selds Gutachten
Die von Seld erarbeitete Denkschrift49 ist vor allem als ZurĂŒckweisung der von
Papst Paul IV. verfochtenen AnsprĂŒche, ĂŒber die GĂŒltigkeit der Nachfolge
Ferdinands im Kaisertum zu entscheiden, zur Kenntnis genommen worden50.
Indessen ging der von Ferdinand erteilte Auftrag weiter, nÀmlich, wie Seld ihn
wiedergegeben hat, âvon dem BĂ€p. und Khays. Gewalt, wie weitt sich der sel-
ben jeder bevorab gegen dem andern erstreck, gutten Berichtâ zu geben51. Da-
mit stellt sich die Frage, was das Memorandum des Reichsvizekanzlers zur
theoretischen BegrĂŒndung von Ferdinands Kaisertum leistet, das ja auf einer
anderen Machtbasis beruhte als das Kaisertum Karls V. Nachdem die Ideen
âUniversales Kaisertumâ und âWeltreichsgedankeâ bei Karl V. erörtert worden
sind52, ist es von besonderem Interesse zu sehen, wie sein Bruder und Nachfol-
ger unter den verÀnderten PrÀmissen das Amt verstanden hat. Das Gutachten
Selds ist ein Versuch, unter den neuen Gegebenheiten das VerhÀltnis von Kaiser
und Papst, von Imperium und Sacerdotium zu bestimmen. Das erfordert eine
ausfĂŒhrliche Besprechung seiner Ăberlegungen53. Sie ist ferner notwendig, weil
Seld die weitere Haltung des neuen Kaisers in dieser Frage maĂgeblich beein-
fluĂt hat, ist er doch Anfang 1559 von Ferdinand anstelle des verstorbenen Jo-
nas wieder zum Reichsvizekanzler berufen worden. Der kaiserliche âVortragâ
vor den KurfĂŒrsten ĂŒber den Konflikt mit dem Papst ist von Seld konzipiert
und am 4. MĂ€rz 1559 in Augsburg gehalten worden; dort haben diejenigen Ge-
danken Eingang gefunden, die fĂŒr den konkreten AnlaĂ opportun erschienen54.
Wann Seld seine Arbeit dem Kaiser vorgelegt hat, ist nicht ersichtlich, denn
er hat sie nicht datiert. Anfang September bat er den Kaiser um Geduld, denn es
48 Lutz, Reformatio, bes. S. 282 u. S. 293â295
49 HHStA Wien, Rom Varia Karton 2, Mappe âum 1559â, fol 1r-91v. In der modernen Forschung
wird in der Regel der Druck von Melchior Goldast in seiner Sammlung âPolitische ReichshĂ€n-
delâ (Frankfurt am Main 1614), S. 167â200, benutzt. Ich zitiere kĂŒnftig nach dem Original (auch
in der Schreibweise) und gebe zusÀtzlich (nach einem SchrÀgstrich) die Seitenzahl bei Goldast
an.
50 Die ausfĂŒhrlichste Inhaltsangabe â bei Reimann, Streit, S. 308ff â hat diesen Schwerpunkt. Alle
folgenden Arbeiten sind â mit Ausnahme von Schwendenwein (s. Anm. 53) â darĂŒber nicht hin-
ausgegangen. Neueste Zusammenfassung bei Luttenberger, KurfĂŒrsten, S. 84ff
51 fol 5v/ S. 169
52 Darauf kann hier nicht weiter eingegangen werden. Von deutscher Seite stammen die wichtig-
sten BeitrÀge dazu von Brandi, Hantsch, H-J. König, W. Köhler, Lutz und Rassow, von spani-
scher Seite von Fernandez Alvarez, Menendez Pidal und Maravall. Der Verlauf der internatio-
nalen Diskussion ist prĂ€gnant zusammengefaĂt von Kohler, Quellen, S. 10ff
53 Die bisher eingehendste Erörterung, der Aufsatz von Schwendenwein, geht von der m.E. zu
engen Fragestellung aus, âob man ohne pĂ€pstliches âJaâ ... Kaiser werden kannâ (S. 117), und
zielt in eine andere Richtung, daĂ nĂ€mlich âSeld am Anfang einer kirchenrechtlichen Entwick-
lung stehtâ (S. 136).
54 Eigh. Entwurf in HHStA Wien, Rom Varia Karton 2, Mappe âum 1559â, fol 94r-99v
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- MĂŒnster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien