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Kapitel 4: Der Streit mit Papst Paul IV. – Neue Begründung des
Kaisertums268
kirch an zeittlichem pracht und Herrlichaitt zu, und an gaistlicher zucht und
Erbarkhaytt abgenommen, fĂĽr Decretales, Clementinae und Extravagantes
eingeschlichen, darinnen man offenlich spürt, daß die Bäpst in iren aignen sa-
chen selbs parthay und richter sein wollen. Desgleichen, was under weilen von
den bäpstischen schmaichlern als ettlichen Theologis und ainem gutten thail
unserer Canonisten iren herrn den Bäpsten für placebo gesungen unnd fuchs-
schwäntz verkhaufft werden. Dises alles, sovil E. Mt. und dem Hay. reich an
derselben preeminentz, ehrn, wirden, rechten und gerechtigkaitten abprĂĽchig
sein mag, sollen sich E.Mt. mitt meinem rhat khaines wegs bekhĂĽmmern oder
anfechten, sonder auf seinem unwerd berhuen lassen“75.
Mit einer ausdrücklichen Bejahung des päpstlichen Primates in geistlichen
Dingen und des daraus abgeleiteten Ehrenvorranges fĂĽr den Papst distanziert
sich Seld zu Beginn des ersten Kapitels eindeutig von den Protestanten: Wenn
die Neuerer wie Luther, Zwingli und andere mit ihrer Ablehnung des päpstli-
chen Primats Recht hätten, „so bedürfft dise gantze sach wenig beratschla-
gens“76. Der apostolische Auftrag für den Nachfolger Petri, die Einheit der
Kirche zu hüten – allerdings im Zusammenwirken mit den Bischöfen als den
Nachfolgern der anderen Apostel – steht für ihn gleichfalls außer Frage. Darum
konzediert er auch eine Straf- und Banngewalt des Papstes gegen einen öffent-
lich sĂĽndigenden Kaiser, wenn auch damit gelegentlich MiĂźbrauch getrieben
worden sei, wie gegen Kaiser Friedrich II.77 Ferdinand sah das sicher genauso:
Er hatte sich zwar mit Erfolg gewehrt, als wegen der – vielleicht mit seiner Bil-
ligung erfolgten – Ermordung des „Bruders Georg“, des politischen Beraters
der Zapolya, im Jahre 1551 über ihn die Exkommunikation verhängt worden
war, aber das Recht des Papstes nicht angefochten78. Indessen macht Seld an
einer anderen Stelle deutlich, daß die päpstliche Banngewalt ausschließlich der
geistlichen Sphäre zuzuordnen sei79.
Wie schon in der Einleitung bezeichnet Seld auch im ersten Kapitel das Stre-
ben der Päpste nach weltlicher Herrschaft als die eigentliche Ursache für die
Probleme im Verhältnis von Kaisertum und Papsttum. Das war kein neuer
Gedanke, er findet sich schon bei Dante und Marsilius von Padua80. FĂĽr Ăśber-
griffe der Kaiser auf die vom Papst besetzten Positionen sieht er dagegen weder
Indizien noch Anlässe. Trotz der negativen Folgen für die Kirche sei der päpst-
liche Besitz des „Patrimonium Petri“ nicht in Frage zu stellen; aus der Funktion
als „obrister vogt und beschirmer“ der Kirche könne der Kaiser „khain obrig-
kaitt oder aigenthumb“ über irgendeine Kirche ableiten81. Die weitergehenden,
auf die „Donatio Constantini“ gestützten Besitzansprüche der Kurie seien al-
75 fol 8r/ S. 170f. Zur Sache die Monographie von Hugelmann.
76 fol 7r/ S.170; auch fol 14r/ S. 172
77 fol 16v-17r/ S.173
78 Vgl. zum Tatbestand Huber, Erwerbung, S. 530f sowie Huber, Geschichte 4, S. 166 u. 171f; zur
Exkommunikation Pastor, Päpste 6, S. 128 Anm. 6. Ferdinands Verteidigung bei Bucholtz 9, S.
589–606.
79 fol 50v/ S. 185
80 Vgl. Barisch, S. 345f
81 fol 10v/ S. 172
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- MĂĽnster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien