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Selds Gutachten 271
len“98. Seld zitiert anschließend die entscheidenden Sätze aus dem berühmten
„Licet juris“99 und folgert, mithin brauche sich Ferdinand um die gegenteiligen
Behauptungen der „Canonisten und bäpstischen Schmaichler“ nicht mehr zu
kümmern. Abermals setzt er also die 1338 von Kaiser und Kurfürsten gemein-
sam gefundene Rechtsposition gegen die Kurie ein.
Doch dann legt Seld noch ausführlich dar, warum die Position der „Vorfah-
ren“ wohlbegründet sei. Dazu listet er zehn Punkte auf, die die Unabhängigkeit
bzw. Gleichrangigkeit des Kaisertums als genuin göttliche Stiftung stützen und
mithin die Autonomie des weltlichen Bereichs erweisen sollen100. Mehrere da-
von sind nur Variationen der These in Gestalt von einschlägigen Äußerungen
von Autoritäten, darunter Augustinus, Cyprianus, das Decretum Gratiani und
sogar Papst Innozenz III.101 Drei Aspekte haben jedoch argumentatives Eigen-
gewicht: Erstens der Hinweis, historisch sei das Kaisertum älter als das Papst-
tum – und könne daher nicht von ihm „herfliessen“ –, denn es habe schon vor
und während Christi Erdenzeiten Kaiser gegeben, die, obwohl ungläubig, von
Jesus als rechtmäßige Kaiser über die „gantze welt“ anerkannt worden seien;
das Papsttum aber existiere erst seit dem Jahre 44 p.Chr.102; neu war auch dieses
Argument nicht, es wurde schon im hohen Mittelalter benutzt103. Zweitens die
Auslegung des berühmten Herrenwortes: „Gebet dem Kaiser, was des Kaisers
ist, und Gott, was Gottes ist“ (Luk. 20,25 und Matth. 22,21) in dem Sinne, daß
Christus selbst genau zwischen geistlichen und weltlichen Dingen unterschie-
den habe; mit spöttischem Unterton merkt Seld an, von Kirche und Papst sei in
diesem Wort des Herrn gar keine Rede104. Drittens die Feststellung der Tatsa-
che, der Papst habe trotz seines Anspruchs, Vikar Christi über die ganze Welt
zu sein, keine weltliche Gewalt gegenüber den Königen von Frankreich und
England und früher auch nicht gegenüber dem oströmischen Kaiser gehabt;
daraus folgert Seld: „Wieviel mehr soll und muß solches in ainem Rom. Khay-
ser verstanden werden, dieweil von meniglich bekhannt, daß der selb das obrist
weltlich haupt der gantzen Christenhaitt sei“; wäre es anders, besäße ein Kaiser
weniger Gewalt „dann etwa ein konig zu Minorica ... , welches je lecherlich zu
hörn“105. Theoretisch wird die Oberhoheit des Kaisers im weltlichen Bereich
von Seld also festgehalten, wie es auch Lupold von Bebenburg getan hatte106,
aber weder hier noch an anderen Stellen durch Angaben über das Ausmaß der
98 fol 42v/ S. 182
99 Zu „Licet juris“ vgl. Stengel, S. 157f; der Wortlaut bei Zeumer, Quellen, S. 184. Selds Angabe, er
zitiere „Kölner Constitutionen Kaiser Ludwigs“, ist dadurch zu erklären, daß er „Licet juris“ in
der von Albericus von Rosate überlieferten Fassung kennt (fol 33v/ S. 175), bei dem sich die
„heillos entstellte“ Ortsangabe „in Colonien[si] civitate“ findet (vgl. Zeumer, Königswahlgesetz,
S. 485–487).
100 Zum Folgenden fol 43r-47r/ S. 182f
101 H. Hoffmann, S. 112f. hat auf die möglicherweise gewollte Mehrdeutigkeit der Formulierungen
dieses Papstes hingewiesen.
102 fol 43r/ S. 182
103 vgl. H. Hoffmann, S. 99; Bosbach, Monarchia, S. 27f
104 fol 45r/ S.182
105 fol 46r-v/ S. 183
106 Vgl. König, Monarchia, S. 39; Meyer, Lupold, S. 154
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien