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Selds Gutachten 275
bei der Vergabe der Krone zustünden134. Er fügt hinzu, es gebe mächtige Köni-
ge, die weder gesalbt noch gekrönt seien und dennoch als Herrscher anerkannt
würden135. Außerdem zieht er die nur von Antonius von Roselli vertretene
These heran, der Papst sei vom Reich um diesen Akt gebeten worden, mithin
könne das Ansuchen auch wieder zurückgezogen werden136.
Es ist bemerkenswert, daß Seld in diesem Punkt Lupold von Bebenburg
nicht folgt; jener vertrat vielmehr die Meinung, die Kaiserkrönung verleihe
mehr als nur einen Titel, nämlich über das deutsch-italienische Imperium hin-
aus Rechte, die den Kaiser von den anderen Königen unterscheiden137. Die
Funktion des advocatus ecclesiae, an die hier zuerst zu denken wäre, hat der
Kaiser bei Seld durchaus noch wahrzunehmen, aber er leitet sie nicht aus der
Krönung ab. Bekanntlich hat es keine Kaiserkrönung Ferdinands gegeben. Der
Verzicht darauf dürfte ihm, sofern er sich Selds nicht eben hohe Bewertung zu
eigen gemacht hat, nicht allzu schwer geworden sein.
Die umfassende Zurückweisung jeglicher Einmischung des Papstes in weltli-
che Reichsangelegenheiten gipfelt in der Feststellung: „dann dieweil ain Rho.
khayser sovil das zeittlich belangt khainen oberherrn auf der welt, und also
auch den Bapst nitt erkhennt, auch nitt von notten, das er von dem Bapst con-
firmiert wird“138.
Danach ist klar, daß Seld das Recht Karls V. eindeutig bejaht, „das reich vor
den Curfürsten oder wer ime sonst darzu gefellig, wol [zu] resignirn“, ohne daß
der Papst beteiligt sein müsse, denn es sei ein weltlicher Akt139. Rechtsvor-
schriften, die man hätte beachten müssen, gebe es keine, die Nachfolge aber sei
geregelt und unstrittig gewesen. Die Abdankung sei zweifellos rechtskräftig.
Mittlerweile sei diese Streitfrage obsolet, da Karl inzwischen verstorben und
Ferdinand schon 1531 von der Kurie als Nachfolger anerkannt worden sei. Aus
der früheren Anerkennung folge auch, daß Ferdinand „umb solche confirmati-
on ... der jetzigen Bap. Ht. nitt weitter nachlauffen darff“140. Überdies läßt der
Jurist Seld noch durchblicken, daß die Kurie die Einspruchsfrist versäumt habe:
Karls Absicht sei seit seiner letzten Reise nach Spanien allgemein bekannt gewe-
sen, der Papst hätte seine Einwände also viel früher anmelden können, späte-
stens aber unmittelbar nach der Resignation Karl zur Weiterführung des Amtes
auffordern müssen.
Festzuhalten bleibt, daß Seld peinlich alle Aussagen vermieden hat, die ande-
re weltliche Herrscher als Eingriff in ihre Rechte hätten interpretieren können.
Die oben zitierte Feststellung, der Kaiser habe in irdischen Angelegenheiten auf
der Welt keinen Oberherrn, hebt ihn nicht über die westeuropäischen Könige
134 fol 56v/ S. 186
135 fol 57r/ S. 187
136 fol 54v/ S. 186. Zu Rosellis Ansicht Eckermann, S. 86f
137 Vgl. Barisch, S. 304; Wolf, Rechtsdenker, S. 46 hat zugespitzt: „das Imperium mundi“. Seld
zitiert zwar auch Lupold als Gewährsmann für die Befugnis, schon vorher die Reichsrechte in
Italien wahrzunehmen. Aber dann folgen bei ihm die Ausführungen über die ungekrönten Kö-
nige.
138 fol 59r/ S. 187
139 Das Zitat fol 59r/ S. 187. Zum Folgenden fol 60r-64r/ S. 188f
140 fol 34r/ S. 178
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien