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Kapitel 4: Der Streit mit Papst Paul IV. – Neue Begründung des
Kaisertums276
hinaus. Wohl bezeichnet er den Kaiser auch als das „oberste weltliche Haupt“,
aber Termini wie „monarchia universalis“ oder „monarchia orbis“, die in den
Begründungen für die Kaiserherrschaft Karls V. eine wesentliche Bedeutung
hatten141, kommen bei ihm nirgends vor.
Die von Seld im dritten Kapitel behandelten angeblichen persönlichen Ver-
fehlungen Ferdinands entsprechen größtenteils denen, deren Beurteilung Papst
Paul IV. von den Kardinälen gewünscht hatte142.
(1) Besonders heikel war der Vorwurf, Ferdinand habe bei der Erziehung
seines Sohnes Maximilian zum rechten Glauben versagt wie einst im alten Israel
der Priester Eli (1. Sam. 4). Selbst wenn es im wesentlichen zutreffend war, daß
Maximilian damals mit dem Luthertum sympathisierte143, konnte das keines-
falls zugegeben werden. Seld spielt die Zweifel an Maximilians Rechtgläubigkeit
als übertrieben herunter, und eine kirchenkritische Haltung des böhmischen
Königs erklärt er angesichts der offenkundigen Mißstände für verständlich.
Eine Verantwortung des Vaters bestreitet er: Jedermann wisse, daß Ferdinand
für eine katholische Erziehung des Sohnes gesorgt und ihn mit einer frommen
katholischen Frau vermählt habe. Sarkastisch fügt Seld hinzu, bei Berücksichti-
gung, wie „die Bäpst zu unsern zeitten ire khinder und angehörige aufzuziehen
pflegen“, hätte der Papst das Beispiel Elis „gegen andern leutten anzuziehen
wol ersparn mögen“144.
(2) Die päpstliche Kritik am Wormser Colloquium nimmt Seld zum Anlaß,
die Fürsorgepflicht des Kaisers für Reich und Christenheit zu betonen und das
schon im ersten Kapitel behauptete kaiserliche Recht zu bekräftigen, im Notfall
ein Konzil zu berufen. Angesichts der „Kaltsinnigkeit“ des römischen Stuhls
und der Prälaten hätte Ferdinand, wenn er „als das obrist weltlich haupt sich
hierinnen ires ampts gebraucht und also gleich gar ain gemain christlich Conci-
lium zusammen zu beruffen sich understanden“, dazu Befugnis und hinrei-
chende Ursache gehabt145. Da Ferdinand das nicht getan, sondern auf Antrag
der Reichsstände nur ein Colloquium bewilligt habe, gebe es für Rom keinen
Grund zur Beschwerde. Seld verteidigt damit Ferdinands Stellung als „advoca-
tus ecclesiae“ und sein Handeln als pflichtgemäß und angemessen, während er
dem Papst Vernachlässigung seiner pastoralen Verantwortung vorhält. Auch die
Einrede, mit Ketzern dürfe man nicht über den Glauben disputieren, sei nicht
stichhaltig; das Religionsgespräch sei geradezu erforderlich geworden, um den
Vorwurf zu entkräften, die Katholiken trauten sich nicht, ihren Glauben zu
verteidigen; ferner habe man hoffen dürfen, die Gegenseite in einigen Punkten
wieder zur Kirche zurückzuführen146. Durch die katholischen Teilnehmer sei
141 Vgl. dazu Bosbach, Papsttum, S. 61ff
142 fol 64v-65r/ S. 189 zu vergleichen mit Tellechea S. 13 Nr. 3. Die weiter unten zu behandelnde,
auf 18 Punkte erweiterte bzw. spezifizierte Liste, die Vargas aus Rom übersandt hatte, hat Seld
nicht berücksichtigt.
143 Vgl. dazu Kapitel 9, S. 574
144 fol 65r-66v/ S. 190; das Zitat fol 66v
145 fol 67r/ S. 190
146 Seld vertritt also eine gegensätzliche Position zu Konrad Braun, der Religionsgespräche als
Symptome unerlaubter Nachgiebigkeit gegenüber den Ketzern ablehnte (vgl. Rößner, S. 154f).
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien