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Exkurs: Zur Überlieferung des Memorandums 281
Exkurs: Zur Überlieferung des Memorandums
Erstaunlich und bemerkenswert ist, daß Selds Denkschrift, obwohl nach Auf-
trag und Ausführung einschließlich der Stilisierung ein vertrauliches Doku-
ment, der Öffentlichkeit – und dadurch der Forschung – in gedruckter Fassung
bekannt geworden ist, allerdings – so weit ich sehe – nicht zu Ferdinands Leb-
zeiten, sondern erst fünfzig Jahre später.
Das in den Wiener Akten liegende Original umfaßt 182 von Seld eigenhändig
halbbrüchig beschriebene und korrigierte Seiten. Es weist nur wenige kleine
Streichungen und einige Nachträge auf dem Rand auf. Marginalien von einer
anderen Hand gibt es nicht. Ob Kopien an befreundete Fürsten oder an die
Mitglieder des Kurkollegs gegeben worden sind, ist bisher nicht bekannt. Die
Österreichische Nationalbibliothek besitzt zwei Abschriften sowie eine spani-
sche Übersetzung aus dem 17. Jahrhundert173.
Der in der Forschung in der Regel zugrunde gelegte Druck von Melchior
Goldast in der Sammlung „Politische Reichshändel“ aus dem Jahre 1614 war
nicht der erste. Schon zwei Jahre früher ist das Gutachten gleich zweimal publi-
ziert worden. Der Frankfurter Buchdrucker Peter Kopff legte „cum privilegio
imperiali“ Selds Consilium174 zusammen mit dem 1574 verfaßten Gutachten
von Lazarus von Schwendi für Maximilian II. über die Regierung des Reichs
und die Freistellung der Religion175 vor; irrtümlich nannte er auf dem Titelblatt
als päpstlichen Gegner Pius V. In deutscher Übersetzung waren einige Akten-
stücke aus früheren Konflikten von Päpsten mit weltlichen Herrschern beige-
geben – je ein Briefwechsel zwischen Hadrian IV. und Friedrich Barbarossa
sowie Bonifaz VIII. und Philipp IV. von Frankreich, ferner Dokumente aus
dem Streit Ludwigs IV. mit Johannes XXII., darunter das Weistum von Rhen-
se176. Der andere, gänzlich anonyme Druck vereinigte Selds Denkschrift mit
einem Traktat zum Augsburger Reichstag des Jahres 1582 und einer Beschrei-
bung der Wahl Karls V.177 Auf dem Titelblatt dieses Drucks erscheint der rich-
tige Papstname, also Paul IV., und zu Seld heißt es, er sei verstorben. Als An-
hang ist hier das Kapitel über den Frankfurter Tag von 1558 und seine Folgen
aus der Geschichte des Augustus Thuanus beigefügt; Thuanus wußte, daß in
Gúzmans Instruktion von „oboedientia“ die Rede war, referierte die Grundzü-
ge der Kritik Pauls IV. und teilte mit, daß Pius IV. den Staatsakt anerkannt
hatte. Selds Gutachten aber war ihm anscheinend unbekannt.
173 ÖNB Hs. Nr. 7587 und Nr. 8211; die spanische Version von Angelus de Zumarar Nr. 5956
(Angaben nach den Tabulae Codicum Manu Scriptorum ... in Bibliotheca Palatina Vindobonen-
sis Asservatorum. ND Graz 1965)
174 Hinweise darauf bei Häberlin 3, S. 530 Anm. o. und bei Druffel, Seld, S. 679. Der Titel lautet bei
Kopff: „Consilium oder Bedencken an Kaiser Ferdinanden wie deß Bapsts zu Rom Pii V. unüb-
lichem Anmassen wider Ihrer Kays. Majest. ordentliche Wahl durch die Churfürsten deß H.
Römischen reichs ohne des Bapsts consens und Bewilligung geschehen, zu begegnen sey“.
175 Neuere Edition von E. von Frauenholz
176 S. 99–116 der Ausgabe von Kopff.
177 Weder Herausgeber noch Drucker sind ersichtlich. In dem mir zugänglichen Exemplar in der
Stadtbibliothek Soest fehlt leider der dritte Teil.
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien