Page - 282 - in Ferdinand I. als Kaiser - Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
Image of the Page - 282 -
Text of the Page - 282 -
Kapitel 4: Der Streit mit Papst Paul IV. – Neue Begründung des
Kaisertums282
Bis heute ist ungeklärt, welche Vorlagen Kopff und Goldast für ihre Drucke
zur Verfügung gestanden haben. Die Publikation von Kopff hat kein Vorwort.
Goldast hat in seiner Vorrede versichert, nur längst im Druck bekannte Stücke
zu bieten, „außgenommen zwey oder drey stück von der Hand geschrieben,
daran keine Heimligkeit gelegen und die mir auß mächtiger Reichsständen ar-
chivis zur Publication vertrauwet und zugestellt worden“178. Für Goldast, einen
engagierten Vertreter des Reichspatriotismus, dessen 1613 erschienene „Monar-
chia“ von der Erwartung inspiriert war, daß ein starker habsburgischer Kaiser
gegen das Machtstreben des Papsttums ein wahrhaft christliches Kaisertum
durchsetzen werde, war Selds Schrift mit ihrem antikurialen Akzent zweifellos
eine hochwillkommene Bereicherung179. Stichproben ergaben, daß die Ausgabe
von Kopff nicht seine Vorlage gewesen sein dürfte, denn es gibt zahlreiche Ab-
weichungen in der Wortstellung, gelegentlich auch bei einzelnen Wörtern, ohne
daß jedoch die inhaltliche Aussage davon berührt würde180. Vielmehr sprechen
einige Indizien dafür, daß hinter dem anonymen anderen Druck von 1612 Gol-
dast stand. In den „Politischen Reichshändeln“ ist nämlich ebenfalls der richtige
päpstliche Gegner angegeben und Seld als verstorben gekennzeichnet181. Gol-
dast hat das Werk von Thuanus selbständig ediert182, während er auf die Beila-
gen von Kopff verzichtet hat. – Danach ist Selds Gutachten noch dreimal ge-
druckt worden183.
Eine Überprüfung des Druckes von Goldast anhand des Originals ist bislang
anscheinend nicht vorgenommen worden. Stichproben haben ergeben, daß
Selds Arbeit nicht unerheblich gekürzt ist, und zwar bei den oftmals sich über
mehr als eine Seite erstreckenden lateinischen Belegen aus der von Seld benutz-
ten Literatur. Die deutschen Ausführungen sind im wesentlichen vollständig, an
einer Stelle fehlt eine kurze Schlußfolgerung, die in lateinische Belege eingebet-
tet ist184. Nicht ausgeschlossen werden kann, daß bei diesen Kürzungen sehr
interessante Belegstellen weggefallen sind.
Weitere Gutachten
Neben Seld hat Ferdinand auch andere Sachverständige und Mitarbeiter mit
dem Problem befaßt. Sein Gesandter in Venedig, Franz von Thurm, übersandte
im September Auszüge aus der „Concordantia catholica“ des Nikolaus von
Cues „ad dubia proposita per pontificem circa imperatoris electionem“185. Als
178 Goldast, Reichshändel, fol IIv der Vorrede
179 Zu Goldast vgl. die Skizze von Schecker, bes. S. 16–20; F.H. Schubert, S. 288f
180 Die Aussage erfolgt unter Vorbehalt; ein vollständiger Vergleich wurde nicht durchgeführt.
181 In beiden Fällen stammen die Überschriften von den Druckern bzw. Herausgebern. Seld hat
seiner Arbeit keinen Titel gegeben.
182 ADB 9, S. 328
183 Häberlin 3, S. 530 Anm.o
184 fol 76r/ Goldast S. 193 Z. 50; diese Befunde gelten ebenso für den anonymen Druck von 1612.
185 HHStA Wien, Venedig Berichte 5, fol 88v: Postskript zu Thurms Schreiben v. 18.9.1558 an
Ferdinand.
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
back to the
book Ferdinand I. als Kaiser - Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V."
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien