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Weitere Gutachten 289
diese Arbeit kaum noch neue Aspekte, denn die beiden Räte Ferdinands begnü-
gen sich bei den meisten Thesen jenes Autors, die vorgetragenen Argumente als
nicht stichhaltig abzulehnen oder ihm falsche Interpretation seiner Belegstellen
vorzuwerfen und auf die Beweisführung in ihrem anderen Gutachten zu ver-
weisen. Soweit sie sich zu einer ausführlicheren Entgegnung veranlaßt sehen,
geschieht das mit der Intention, exemplarisch die einleitende Feststellung zu
belegen, daß das kanonische Recht Sätze enthalte, die gegen Recht und Freiheit
des Reiches gerichtet seien und dem göttlichen Recht, wie es die Heilige Schrift
dokumentiere, widersprächen; die Päpste hätten sie zu ihrem eigenen Nutzen
und zum Schaden der Kaiser hineingebracht230. Diese Position, die ja auch von
Seld und im Vierergutachten eingenommen wird, erlaubt es aber, Bestimmun-
gen aus dem Corpus juris canonici, die der eigenen Rechtsauffassung konform
sind, der Gegenseite vorzuhalten. Am Ende ihrer Denkschrift verweisen die
Gutachter auf die Werke von Antonius de Roselli, Lupold von Bebenburg,
Albericus de Rosate und Michael Ulcurrunus231.
Gundelius und Eder machen deutlich, daß ihr Widerpart von einer falschen
Voraussetzung ausgehe, weil für ihn das Reich nicht eine Ordnung Gottes,
sondern durch menschliche Übereinkunft entstanden sei. Sie erklären, der von
jenem bemühte, sonst sehr gelehrte Gewährsmann Alciatus sei in diesem Punkt
„hallucinatus“, während sie selbst sich auf Römer 13 berufen232. Die Wahl Karls
des Großen durch das römische Volk und seine Inauguratio durch Papst Leo
III., die jener dagegen ins Feld führe, widersprächen dem nicht, entscheidend
seien die Worte Christi, was dem Kaiser und was Gott gebühre233. „Sicut ipse
[i.e. Christus] quoque probat imperium a solo Deo, non a sede Apostolico
emanare et quod imperator gladium a Deo non a Pontifice recognoscat“234.
Ebenso entschieden beharren sie darauf, daß aus der Übergabe der Schlüssel
zum Himmel an Petrus keine weltliche Vollmacht des Papstes abgeleitet werden
könne: Diese Auslegung des Papstes Nikolaus stehe im Widerspruch zu Christi
Wort und auch zum kanonischen Recht235. Vielmehr hätten alle Kleriker aus-
schließlich geistliche Aufgaben, deshalb hätte ja Petrus sein Schwert einstecken
müssen. Der legistische Grundsatz, daß Sacerdotium und Imperium voneinan-
der getrennt seien, wird durch das Bild bekräftigt, man spanne nicht Ochs und
Esel zum Pflügen zusammen236. Der päpstliche Anspruch, die Eignung des zum
Kaiser Erwählten zu prüfen, habe in der Heiligen Schrift keine Stütze, die Pa-
rallele zur Prüfung erwählter Bischöfe sei abwegig; im Grunde gehe die Wahl
den Papst nichts an, der Anspruch auf Approbation sei eine Einmischung, und
die These, der Papst könne die Kurfürsten wegen Mißbrauchs ihrer Funktion
230 fol 36r
231 fol 43v-44r
232 fol 36v.- Zu Alciatus (1492–1550) vgl. Pütter 1, S. 90; J. Schulte 3, S. 448
233 Als Beleg werden die Parallelstellen aus allen drei synoptischen Evangelien angeführt.
234 fol 37r
235 fol 37v
236 fol 38r
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien