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Kapitel 4: Der Streit mit Papst Paul IV. – Neue Begründung des
Kaisertums290
zur Rechenschaft ziehen, wird als ganz unverständlich zurückgewiesen237. Für
das angebliche Recht des Papstes, den Kaiser abzusetzen, gebe es keine authen-
tische Stütze in der Schrift238. Mit diesen Auffassungen distanzieren sich die
beiden Räte, ohne es zu sagen, von der Position des einflußreichen Legisten
Bartolus239. Mit der Behauptung, die Exkommunikation der Kaiser Otto IV.,
Friedrich II. und Ludwig IV. sei wider göttliches und menschliches Recht er-
folgt, finden Gundelius und Eder Anschluß an die verbreitete Ansicht, daß die
Päpste wesentlich zur Zerstörung der Macht des Reiches beigetragen hätten, für
die sie nicht nur Otto von Freising als Gewährsmann bemühen, sondern auch
auf die ungenügende Berücksichtigung der Gravamina der deutschen Nation
durch die Kurie verweisen240. –
Bemerkungen des spanischen Sondergesandten in Wien, die Kurfürsten von
Sachsen und Brandenburg hätten beim Kaiser einen Krieg gegen Rom befür-
wortet241, dürften Philipp II. angespornt haben, durch seinen Diplomaten Var-
gas242 in Rom wegen eines Ausgleichs sondieren zu lassen, durch den die Vor-
würfe gegen Ferdinands Person ausgeräumt werden sollten. Zwar hat Ferdi-
nand Vargas’ Bemühungen mit lobenden Worten bedacht, aber die erbetene
Vollmacht und Instruierung abgelehnt mit der Begründung, ohne Unterrich-
tung seines mitbetroffenen Bruders und ohne eine Stellungnahme der Reichs-
stände könne er jetzt nichts abschließen243. Einen von Vargas eingesandten
Bericht über seinen Vortrag vor dem Papst sowie eine 18 Punkte umfassende
Liste päpstlicher Vorwürfe legte Ferdinand seinen Räten Gienger und Gundeli-
us mit dem Auftrag vor, beides zu beurteilen und zu erwägen, mit welchen
Argumenten jene Angriffe widerlegt und seine Rechte abgestützt werden
könnten, und ihm ihr Gutachten umgehend zuzustellen, damit er es im Be-
darfsfalle zur Hand habe244.
Die Stellungnahme der beiden Räte245 ist darum interessant, weil sie verdeut-
licht, welche Gesichtspunkte in Ferdinands Beraterkreis für so wichtig gehalten
wurden, daß eine unzulängliche Behandlung durch den spanischen Diplomaten
als nachteilig für die Sache Ferdinands und des Reiches erachtet wurde. Das
Gutachten ist sehr viel kürzer als Selds große Denkschrift und nicht mit Bele-
237 Das hatte im Jahr 1551 der Bischof von Arras ganz anders beurteilt (vgl. Lanz, Staatspapiere, S.
454).
238 „Hoc constat nullam esse causam neque jus aut facultatem Papae, Imperatorem vel hunc vel
alium deponendi. Id enim nulla autentica scriptura probari potest.“ (fol 42v)
239 Andrae, S. 22f
240 fol 42v-43v
241 CDI 98, S. 35: Quadra an Philipp, 26.8.1558
242 Von Mißtrauen gegenüber Vargas in Rom berichten die venezianischen Gesandten (Turba, VD
3, S. 69). Zu seiner Person Jedin im Lexikon für Theologie und Kirche (2. Aufl.) Bd. 10 (1965),
Sp. 614f.
243 F. an Philipp, 2.11.1558 (CDI 2, S. 518ff, vgl. Reimann, Streit, S. 308, Schmid, S. 29f)
244 „...ut eam postulante necessitate ad manum habeamus...“ (HHStA Wien, Rom Varia Karton 2,
Mappe 1558, fol 18r/v: F. an Gienger und Gundelius, Prag, 18.11.1558, Konz.).
245 ÖNB Wien, Handschrift Nr. 8727, fol 45r-57r: Georgii Gienger et Philippi Gundelii, u.j. Doc-
torum, consyderationes, circa actionem Francisci Vargas cum domino Papa ratione Imperii, no-
mine Ser.mi Regis Hispaniarum et Angliae etc. factam et super 18 articulis Maiestati Caesareae
per Papam obiectis.
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien