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Zur Reaktion der „Öffentlichkeit“ im Reich 301
papismi erroribus reclamarunt pugnantibusque sententiis scripsunt“ als Beleg
für die These erwähnt worden, daß der Papst nicht über dem Kaiser stehe und
kein Recht über das Reich habe308. Wie aus einer vertraulichen Mitteilung von
Zasius an Herzog Christoph von Württemberg hervorgeht, hielt auch Kaiser
Ferdinand die Verbreitung der Ausführungen Dantes für wünschenswert, und
darum sollte der Herzog den zum Protestanten gewordenen ehemaligen päpst-
lichen Nuntius Vergerio als einen Kenner der Materie veranlassen, Herold bei
der Drucklegung behilflich zu sein309. Herold war klug genug, die Übersetzung
der „Monarchia“ nicht Ferdinand zu widmen, dem das vermutlich in Rom ge-
schadet hätte, weil Dantes Schrift indiziert war, sondern den weltlichen Kurfür-
sten. In der Vorrede ermahnte er die so Geehrten, der ihnen von Gott anver-
trauten Verantwortung ebenso wie bei der Wahl dieses vortrefflichen Kaisers
gerecht zu werden und gemeinsam mit ihren geistlichen Amtskollegen die
päpstlichen Ansprüche entschlossen und einmütig zurückzuweisen310. Die la-
teinischen Ausgaben der beiden Schriften waren Teile eines gleichzeitig publi-
zierten Sammelbandes, der außerdem Traktate von Landolfo Colonna, Andreas
Alciatus und Enea Silvio Piccolomini enthielt. Daß der spätere Papst Pius II.
darin die Unabhängigkeit des Kaisers vom Papsttum vertrat und dem Papst
jedes Recht auf Beteiligung an der Kaiserwahl sowie weltliche Machtansprüche
außerhalb des Patrimonium Petri absprach, war Herold, dem selbsternannten
Verteidiger des Kaisertums und der Rechte der Deutschen daran, besonders
willkommen311. Der Traktat von Colonna bestätigte die unbeschränkte Wahl-
kompetenz der Kurfürsten als letzte Stufe der Übertragung des Reiches an die
Deutschen312. Drei Jahre später ließ Herold eine neue Ausgabe von Selds Kron-
zeugen folgen, den Traktat Lupolds von Bebenburg313.
Die an der frühen protestantischen Geschichtsschreibung beobachtete Ten-
denz zur „Konfessionalisierung des Mittelalters“, insbesondere der Zeit nach
dem Investiturstreit, und zur Zeichnung der Päpste seit Gregor VII. als Tyran-
nen und Zerstörer der Ordnung des Reiches314 ist durch die Angriffe Pauls IV.
auf das Kaisertum Ferdinands I. zweifellos verfestigt worden. Insofern förderte
der Konflikt Sympathien für den Attackierten und trug zur Steigerung seines
Ansehens in protestantischen Kreisen bei. Die einflußreichsten Werke, die Be-
arbeitung der Weltchronik Carions durch Melanchthon und seinen Schwieger-
sohn Caspar Peucer und die von Flacius Illyricus initiierten Magdeburger
Centurien – genauer die das Mittelalter behandelnden Teile – sind erst nach
308 Schmitthenner, S. 90f
309 „Weill dann solche ausfüerung, zu allerlay verstand jetziger zeitt gelegennheit, inn mehr weeg
diennlich, so ist... (underthenig vertrewlich zu schreiben) nitt one vorwüssen der Khay.Mt. be-
dacht worden, nützlich und guett sein, bemellt püechlin durch den truckh one saumnung verner
bekhannt zu machen...“ (HStA Stuttgart, A 155 Bü 201, fol 4r/v: Zasius an Herzog Christoph,
Augsburg, 30.6.1559, Or., Hinweis bei Ernst, Bw. 4, S. 665 Anm. 2).
310 Burckhardt, S. 52 u. S. 201
311 Ebda, S. 204
312 Bietenholz, S. 107
313 Burckhardt, S. 209
314 Mertens, S. 43f
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien