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Kapitel 4: Der Streit mit Papst Paul IV. – Neue Begründung des
Kaisertums306
Autor tritt beredt für die Weiterführung des Kaisertums durch das Haus Öster-
reich ein350. Das zweite zentrale Anliegen Pflugs ist die Stärkung der kaiserli-
chen Macht.
Die Argumentation des juristisch gebildeten Naumburger Bischofs ist über-
wiegend historisch. Zunächst bietet er seinem Publikum eine idealisierende
Schilderung der Verhältnisse im Reich während des frühen Mittelalters, konsta-
tiert dann den Zerfall dieser vorbildlichen Ordnung seit dem Interregnum und
unterbreitet im dritten Teil Vorschläge für ihre Wiederherstellung. Sein Leitsatz
ist: Das Reich braucht einen starken Kaiser.
Zu den Grundgedanken Pflugs gehört, daß das Kaisertum eine wesentliche
Errungenschaft der Deutschen ist, die aber nur durch ein Höchstmaß an Einig-
keit verteidigt werden kann. Er steht mit seinen Vorstellungen von Kaiser und
Reich in der Tradition vieler deutscher Humanisten351. Solange die Germanen
in viele einander bekämpfende Stämme zerfielen, waren sie den Römern unter-
legen – trotz der Siege eines Arminius. Daß Karl der Große ihre Einigung her-
beiführte, war Voraussetzung dafür, daß er das römische Kaisertum wieder
aufrichten konnte. An mehreren Stellen spricht Pflug vom „Imperium orbis
terrae“ oder vom „Imperator orbis terrae“352. Er leitet daraus aber keine Ober-
hoheit des Kaisers über die anderen Königreiche ab, sondern nur eine Führungs-
rolle im Kampf gegen die Ungläubigen, wie sie seinerzeit Heinrich I. wahrge-
nommen habe, dem deshalb – und nach ihm Otto dem Großen – das Imperium
von Gott übertragen worden sei353. Nachdem er Italien die Freiheit zurückge-
geben habe, „salutatus est Otho a Romanis Imperator orbis terrae, idque sin-
gulari totius Italiae consensu et applausu; atque ita dignitas haec summa cum
regno nationis nostrae iterum se coniunxit“354. Ausdrücklich unterstreicht
Pflug, die Deutschen hätten das Kaisertum wegen ihrer Frömmigkeit erhalten,
was den Charakter des Reichs von allen anderen Imperien unterscheide. Als die
zweite große Leistung der früheren Kaiser neben ihrem erfolgreichen Kampf
gegen die heidnischen Ungarn und Sarazenen hebt er hervor, daß sie trotz ihrer
„summa potestas“ den Deutschen eine schriftliche Rechtsordnung gegeben, sich
selbst unter Recht und Gesetz gestellt hätten; das habe eine Blüte des wirt-
schaftlichen Lebens bewirkt. Die Wahrung von Frieden und Recht im Reich als
kaiserliche Aufgabe wird dadurch nachdrücklich historisch fundiert. Die Grün-
de für den bedauerlichen Zerfall dieser Ordnung seit dem Interregnum interes-
sieren Pflug weniger als die Bemühungen der Kaiser aus dem Hause Habsburg,
dem entgegenzuwirken. So hebt er die Landfriedensgesetze Friedrichs III. und
350 Der letzte Teil dient dem Nachweis, daß Gottes Segen auf den habsburgischen Kaisern geruht
habe, und wird mit der Erzählung eingeleitet, bei der Krönung Rudolfs in Aachen sei am Him-
mel ein Kreuz erschienen (S. 84).Als weiteres Indiz läßt sich anführen, daß Pflug die Einsetzung
des Kurfürstenkollegs als höchst verdienstliche Maßnahme Ottos III. [!] feiert, „cum institueret,
ut Imperatores non nascerentur, sed eligerentur, et dignitas haec virtute potius quam fortuna
acquieretur“ (S. 28).
351 Zu deren Vorstellungen Knepper, S. 138ff u. 155ff; W. Köhler, Reichsgedanke, bes. S. 107;
Hammerstein, Geschichte, S. 30f
352 z.B. S. 15, 17, 90
353 Pflug, S. 15
354 Pflug, S. 17
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien