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Kapitel 5: Der Reichstag in Augsburg
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werde über die Voten auch nachgedacht werden52. Ferdinand lehnte es also
ausdrücklich ab, als Kaiser die Rahmenbedingungen für das Konzil vorzu-
schreiben – mit Recht, Rom und die westeuropäischen Könige hätten sich
nimmermehr darauf eingelassen. Aber die Protestanten wichen nicht zurück,
zumal sie gerade mit ihrem Antrag auf Bewilligung der „Freistellung“ – wie
noch darzulegen ist – gescheitert waren, und daher fiel das nächste Ständebe-
denken wieder zwiespältig aus. Während die Katholiken die kaiserliche Resolu-
tion vom 27. Mai akzeptierten, erklärten die Protestanten, durch den zusätzli-
chen Bescheid des Kaisers über seinen Einfluß auf die Konzilsmodalitäten wä-
ren sie „nicht gesettigt“. Immerhin wiesen sie einen Ausweg, indem sie als Al-
ternative zur Aufnahme der von ihnen benannten „Qualitäten“ in den Reichs-
tagsabschied anregten, das Konzil darin überhaupt nicht zu erwähnen, andern-
falls drohten sie einen Protest an53.
Man sah am Kaiserhof ein, daß die Fortsetzung der Kontroverse sinnlos war,
und entschloß sich, der jüngsten Anregung zu folgen. In seiner das Thema ab-
schließenden Antwort erklärte Ferdinand sich bereit, im Reichstagsabschied zur
Religionsfrage lediglich festzuhalten, nachdem das Colloquium leider keine
Abhilfe des Zwiespalts gebracht habe, „so sey fur rathsamb angesehen, die
tractation der religion uff andere und pessere gelegenhait einzustellen“54. Er
begründete das damit, noch sei es ja ungewiß, wann und wie das Konzil ver-
wirklicht werde. Die zitierte Formulierung ist dann wörtlich in den Abschied
eingegangen55. Die Abmachungen von Passau und Augsburg wurden bestätigt,
die unbefristete Dauer der Koexistenz der beiden Konfessionen also erhärtet –
sicher in erster Linie ein Vorteil für die Protestanten. Das Konzil als Lösungs-
möglichkeit blieb unerwähnt. Gegenüber den Abschieden von Augsburg 1555,
als man noch vier Wege zum Ausgleich nebeneinander gestellt hatte, und Re-
gensburg 1557, als man sich geeinigt hatte, einen davon zu beschreiten, kann die
nun gewählte Wendung im nachhinein durchaus als Eingeständnis der Unüber-
brückbarkeit gewertet werden. Berücksichtigt man indessen die Genesis, so
wird der dissimulierende Charakter deutlich; Ferdinand akzeptierte die Formel,
um den Weg zum Konzil offenzuhalten. Gewiß wäre es für seine Absichten von
Vorteil gewesen, wenn man im Abschied hätte festschreiben können, zur
Überwindung der Glaubensspaltung solle nun ein Konzil angestrebt werden,
hätte doch darin eine Verpflichtung aller Stände zur Teilnahme gesehen werden
52 HHStA Wien, ebda, fol 97r/v (Selds eigh. Konzept ebda, fol 14r/v): Ferdinands Antwort an die
Protestanten, undatiert (kurzes Zitat bei Ernst, Bw. 4, S. 667 Anm. 2). Schon Häberlin 4, S. 24
datiert auf den 9.6.1559, ebenso Heppe 1, S. 329f, Westphal, S. 84. Die von Seld am Rand no-
tierte Einfügung, jede Verzögerung des Konzils „beschähe wider irer Mt. willen“, dürfte Ferdi-
nand selbst gewünscht haben.
53 HHStA Wien, ebda, fol 99r-100r: Bedenken der Stände zur Religionsfrage v. 17.6.1559 (Datum
von Seld); Heppe 1, S. 330; Wolf, Protestanten, S. 198 nennt als Datum der Übergabe den 16.6.
54 HHStA Wien, ebda, fol 101r/v und fol 17r/v (Eigh. Konzept Selds): Resolution Ferdinands,
undatiert; nach Ernst, Bw. 4, S. 684 am 30.6.1559 der Mainzer Kanzlei übergeben. Vgl. Wolf,
Protestanten, S. 208f. Eine von Seld vorgesehene Erklärung, der Kaiser sei bereit, „alle und jede
Gravamina“ im Rahmen des Religionsfriedens nach bestem Wissen und Vermögen abzuschaf-
fen, wurde gestrichen (fol 17v).
55 Als Artikel 5 (Neue Sammlung 3, S. 164)
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien