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Freistellung und Gravamina 337
gen abzustehen. Die Entgegnung der Katholiken zeigte, daß beide Konfessio-
nen aneinander vorbei argumentierten, denn sie beharrte bei der Weigerung, die
Kontroverse als politisches Problem anzuerkennen, und legte den Schwerpunkt
darauf, die protestantische Forderung nach Kassierung der ergangenen Urteile
und Mandate als rechtswidrig zu charakterisieren, die dazu führe, daß die Justiz
und das höchste Gericht im Reich „eingestelt und niedergelegt“ würden113. Die
Protestanten reichten ihrerseits nochmals eine Zurückweisung des katholischen
Vorwufs ein, ihr eigenes Verständnis des Religionsfriedens sei „ungegründt“,
und beharrten auf ihrem Jus reformandi114. Ferdinand hat dieses Schreiben
unbeantwortet gelassen.
Da die eigentlichen Reichstagsberatungen zum Abschluß gekommen waren,
beendete Ferdinand den unfruchtbaren Austausch, indem er die Stände zu sich
lud und sein Bedauern ausdrückte, daß man sich nicht geeinigt hatte. Dem
Reichskammergericht sprach er sein Vertrauen aus. Weil die Überweisung an
den Deputationstag nicht angenommen worden sei, könne er diejenigen, die
sich durch Mandate und Urteile für benachteiligt hielten, nur auf den Weg des
„gemeinen Rechts“ verweisen. Um für seine Person Entgegenkommen zu zei-
gen, erklärte er, bei Beschwerden, die gegen ihn selbst als Landesherrn gerichtet
wären, sei er trotz der Exemtion Österreichs bereit zur gerichtlichen Klärung
oder durch „unparteiische Kompromissarios“115. Sein Wunsch, diese Resoluti-
on hinzunehmen, wurde von den Ständen befolgt116. Das Problem der Grava-
mina zum Religionsfrieden ist während seiner Regierungszeit politisch nicht
mehr erörtert worden, weil Ferdinand keinen Reichstag mehr durchgeführt hat.
Erwähnt sei noch, daß Ferdinand auch bemüht war, in Einzelfällen Benach-
teiligungen von Katholiken durch gütliche Einwirkung abzustellen oder ihnen
vorzubeugen. Eine Eingabe des Stiftes Kaiserslautern wurde deshalb Seld zur
persönlichen Besprechung mit dem Kurfürsten von der Pfalz übergeben, um die
Restitution zu erwirken117. Gegenüber dem Nürnberger Rat setzte er sich für
die Zulassung katholischen Gottesdienstes in zwei noch bestehenden Frau-
enklöstern ein. Ob er damit die Absicht verband, Nürnberg als bikonfessionelle
Stadt einzustufen, muß dahingestellt bleiben118. Ganz sicher ist dagegen, daß
Aachen 1559 wie 1555 als katholische Stadt galt. Die von Aachener Protestanten
– nicht vom Rat der Stadt – dem Reichstag eingereichte Supplik auf Zulassung
evangelischen Gottesdienstes wurde mit der Bildung einer Kommission, beste-
hend aus dem Erzbischof von Köln, dem Bischof von Lüttich und dem Herzog
von Jülich-Kleve, beschieden, die die religiösen Verhältnisse in der Stadt unter-
113 Ebda, fol 150r-152r: Eingabe der katholischen Stände vom 17.8.1559
114 Ebda, fol 118r-124r: Rechtfertigung der Protestanten v. 17.8.1559 mit Vermerk von Seld: „Der
Kaiser hat nit daruf geantwordt“.
115 Ebda, fol 195r-197r: Resolution des Kaisers v. 18.8.1559; ausführliches Referat bei Bucholtz 7, S.
454f
116 HHStA Wien, ebda, fol 176r/v: undatierte Protokollnotiz. Ausführlicher Bericht über den
Verlauf im hessischen Protokoll (Konzept, HStA Marburg, PA 1276, fol 97r-98v); vgl. Heiden-
hain, Unionspolitik, S. 128 Anm. 58
117 HHStA Wien, RHRP 17, fol 48r: Eintrag zum 12.7.1559
118 Pfeiffer, S. 280
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien