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Das kaiserliche „Reform-Libell“ – eine erfolglose Initiative 439
wollte. Eine Abschrift der Erwiderung wurde sofort an Arco geschickt, damit
er dem Papst den Standpunkt des Kaisers erläutern konnte162. Wie wenig Ferdi-
nand daran dachte, seine Vorschläge preiszugeben, belegen seine weiteren Wei-
sungen: Ob die Legaten das ganze Reformlibell oder Teile den Vätern vorlegen
wollten, habe er ihnen zwar freigestellt, die Hauptsache sei indessen, daĂź sie bei
Gelegenheit die wichtigen Punkte einbrächten, und dafür sollten sich die Ora-
toren immer wieder einsetzen163. Als Pius IV. Delfino wissen lieĂź, er erachte die
Erläuterungen des Kaisers für befriedigend, und die Legaten angewiesen wur-
den, geeignete und die Vorrechte des Heiligen Stuhls nicht berĂĽhrende Punkte
aus dem Libell zur Beratung durch das Konzil auszuwählen164, war das ein
Signal, dem Kaiser auf halbem Wege entgegenzukommen. Eine erste Empfeh-
lung, das Libell einfach totzuschweigen, wurde dadurch revidiert. Jedoch hat
die brĂĽske ZurĂĽckweisung des Libells durch die Legaten die Hoffnungen Fer-
dinands weiter reduziert. Gegenüber Seld äußerte er jetzt, wenn das Konzil sich
nicht auf die wesentlichen Fragen konzentriere, wäre es besser nicht einberufen
worden165.
Es gab mehrere GrĂĽnde, es wegen des Libells nicht zu einer Kraftprobe
kommen zu lassen. Spätestens Ende Juni wußte Ferdinand, daß die Position des
Kardinals von Mantua als Präsident des Konzils in Rom so erschüttert war, daß
er seinen RĂĽcktritt angeboten hatte166; nach Ansicht des Bischofs von FĂĽnfkir-
chen hatte er von den Legaten am meisten Verständnis für die Reformanliegen
und sei nicht zuletzt darum beim Papst angeschwärzt worden. Die Vertrauens-
krise zwischen dem Papst und den beiden vornehmsten Konzilslegaten, die
schon seit der Debatte über die bischöfliche Residenzpflicht schwelte167, war
fĂĽr Ferdinand ein weiteres Indiz fĂĽr die Unfreiheit des Konzils als Folge kuria-
ler Gängelung. Bisher hatte er seine Kritik wegen der wiederholten Rückfragen
der Legaten vor wichtigen Entscheidungen nach Trient gerichtet und davor
gewarnt, diese Praxis sei geeignet, bei den Gegnern des Konzils den höhnischen
Spruch wieder aufleben zu lassen, der Heilige Geist mĂĽsse per Post aus Rom
zum Konzil gerufen werden168. Insbesondere die Vorgänge vor der letzten Ses-
sion hatte er scharf kritisiert: „quasi universa concilii autoritas [sic!] non Tri-
denti sed Romae resideat“169. Jetzt richtete er trotz der Differenzen wegen des
Reformlibells ein persönliches Schreiben an den Kardinal von Mantua mit der
Bitte, seine Aufgabe weiterzufĂĽhren, und bot an, in diesem Sinne beim Papst zu
162 HHStA Wien, RHRP 20b: Eintrag zum 28.6.1562
163 F. an Konzilsoratoren, 16.7. (Sickel, Konzil, S. 356f) und 26.7.1562 (HHStA Wien, RK RelA 8
Konv. Juli, fol 66r-68v); welche Punkte „wichtig“ seien, wird nicht spezifiziert.
164 NB II 3, S. 94 u. S. 99f: Borromeo an Delfino, 18.7. bzw 22.7.1562; Ĺ usta 2, S. 272f: Borromeo
an Legaten, 22.7.1562, wiederholt am 15.8.1562 (Sickel, Römische Berichte 2, S. 124).
165 Goetz, Beiträge, S. 248f: Seld an Herzog Albrecht, 6.8.1562; vgl. Vogel, S. 52
166 Am 28. bzw 29.6.1562 gingen Berichte aus Rom und aus Trient mit dieser Nachricht ein (Sickel,
Konzil, S. 327f u. S. 337f).
167 Dazu Jedin, Konzil 4/1, S. 128ff
168 HHStA Wien, RK RelA 7, fol 16–17: F. an Oratoren, 10.5.1562 (z.T. gedruckt bei Sickel, Kon-
zil, S. 300)
169 Sickel, Konzil, S. 326 (F. an Oratoren, 4.6.1562)
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- MĂĽnster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien