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Der kaiserliche Appell an den Papst 457
Kaiser am 21. Februar, den französischen Besucher noch nicht über die eigenen
konzilspolitischen Absichten zu informieren294.
Der kaiserliche Appell an den Papst
Am folgenden Tag aber endete die Beratung über die Gespräche mit dem Kar-
dinal und über die Gutachten der Theologen mit dem Beschluß, ein Schreiben
an den Papst zu richten „pro obtinenda libertate et meliore statu concilii“, das
auch den Legaten und dem Kardinal von Lothringen sowie den Königen von
Spanien, Frankreich und Portugal mitgeteilt werden sollte295. Es war also von
vornherein beabsichtigt, Druck auf den Heiligen Vater auszuüben, denn die
drei Könige sollten aufgefordert werden, mit eigenen Briefen die Aktion des
Kaisers zu unterstützen. Die Unterredungen mit Kardinal Guise haben Ferdi-
nand und seine Berater offenbar überzeugt, daß ein Appell an den Papst zugun-
sten des Konzils weithin Beifall finden würde. Schon zwei Tage später wurde
der Wortlaut des Schreibens approbiert296.
Dieser „offene Brief“ Ferdinands297 verdient eine eingehendere Wiedergabe,
denn in ihm kommt seine Kaiserauffassung noch einmal mit aller Deutlichkeit
zum Ausdruck. Bemerkenswert sind die energische Sprache und die harte Ar-
gumentation, obwohl der Person des Papstes die übliche Ehrerbietung gezollt
wird. Der Kaiser begründet seinen Schritt, sich öffentlich an den Papst zu wen-
den, mit seiner Verpflichtung, als Advokat der Kirche für deren Nutzen und
Heil Sorge zu tragen. Zu seinem Leidwesen habe er feststellen müssen, daß die
Beratungen am Konzil nicht so vorankämen, wie er und alle Frommen es
wünschten und der Zustand der Christenheit es erfordere. Wenn hier keine
Abhilfe geschaffen werde, würde alsbald der Exitus des Konzils eintreten; das
aber wäre ein Skandalum für die christliche Welt und würde den vom Heiligen
Stuhl Abgefallenen Stoff zu Gelächter bieten.
Seine Kritik konzentriert der Kaiser auf wenige Punkte: Gar zu viel Zeit sei
seit der letzten Session vergangen, und die Uneinigkeit der Konzilsväter lasse
die Gegner jubilieren. Besonders verderblich sei das Gerücht, der Papst beab-
sichtige die Aufhebung oder Suspension des Konzils. Ferdinand räumt ein, er
wisse nicht, ob daran etwas sei, aber eine Aufhebung würde irreparablen Scha-
den anrichten und den Untergang der Katholiken im Reich bedeuten. Die Auf-
lösung werde so interpretiert werden, daß die Reform der Kirche verhindert
werden solle, die er seit Jahren gefordert habe, und alle Hoffnungen auf eine
Verbesserung der kirchlichen Zustände enttäuschen. Jener Aufgabe würden sich
dann nationale Konzilien annehmen, die der Papst doch durch die Berufung des
294 HHStA Wien, RHRP 20b: Eintrag zum 21.2.1563, zitiert VD 3, S. 220 Anm. 4
295 Ebda, Eintrag zum 22.2.1563, zitiert VD 3, S. 221 Anm. 2
296 HHStA Wien, RHRP 20b: Eintrag zum 24.2.1563 (zitiert VD 3, S. 221 Anm. 2 und NB II 3, S.
235)
297 F. an Pius IV., 3.3.1563 (gedruckt bei Raynaldus 34, S. 331–334; Le Plat 5, S. 690–694); die von
Sickel, Konzil, S. 449f, aus dem Konzept notierten Unterschiede sind irrelevant (vgl. NB II 3, S.
234 Anm. 1).
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien