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Die Verhandlung mit Morone 471
sen, damit im Plenum nur noch abschließend abgestimmt zu werden brauche384.
Dahinter stand der Gedanke, die Übermacht der Italiener auf dem Konzil zu
brechen, aber auch die Absicht, den Prokuratoren der deutschen Bischöfe mehr
Einfluß zu verschaffen, da sie kein Stimmrecht hatten. Um den häufigen Klagen
„ultramontaner“ Konzilsväter über die Protokollierung ihrer Voten Rechnung
zu tragen, wurde die Bestellung eines zweiten Konzilssekretärs empfohlen. Im
immer noch nicht entschiedenen Streit über die Residenz der Bischöfe wurde
geraten, sich mit einer aus ihren pastoralen Aufgaben abgeleiteten Verpflichtung
zu begnügen.
Zur Erläuterung, worauf angesichts der besonders gelagerten Verhältnisse im
Reich bei der Auswahl der Bischöfe bzw. der Mitglieder der Domkapitel zu
achten sei, wurde ein gesondertes Schriftstück übergeben385. Das Thema wurde
nicht weiter erörtert, denn das Konzil hatte die Problematik im Rahmen der
Beratungen über das Weihesakrament gerade in Angriff genommen386.
Gleichzeitig mit der Fertigstellung der Antwort an Morone fiel im Geheimen
Rat die Entscheidung, weitergehende Aktionen, wie sie zuletzt der Kardinal
von Lothringen und Gienger zur Erwägung gestellt hatte, abzulehnen: Eine
Translation des Konzils in eine deutsche Stadt wurde aus mehreren Gründen als
unrealistisch angesehen387, erst recht, es unter einem Vorwand scheitern zu
lassen. Ferdinand und Seld differenzierten genau, daß der Kaiser nur bei einem
konzil- und reformunwilligen Papst die Initiative an sich reißen durfte, einen zu
Reformen bereiten Heiligen Vater dagegen unterstützen mußte und nicht zu
einzelnen Maßnahmen zwingen durfte388. Diese Grundlinie der Konzilspolitik
Ferdinands sollte in den letzten Tagen der Innsbrucker Gespräche noch deutli-
cher zutage treten.
In seinen Berichten an Borromeo nach dem Abschluß der Gespräche hat
Morone eingeräumt, Ferdinands Antwort sei zu allen Fragen angemessen gewe-
sen389. Aus taktischen Erwägungen interpretierte der Legat während einer
zweiten mehrstündigen Unterredung mit Ferdinand die vom Kaiser angeführ-
ten Monita als erschöpfende Liste und behauptete, davon seien die meisten
Punkte – und noch etliche mehr – irgendwie schon in den Konzilsvorlagen
enthalten oder würden alsbald berücksichtigt werden390. Immerhin erkannte er
die Berechtigung der kaiserlichen Anliegen damit im Prinzip an. Weil er aber
jeden Anklang an konziliaristische Gedanken und jeden Schatten einer Minde-
384 Man sah sehr wohl das Problem, daß infolge der äußerst geringen Teilnahme deutscher Prälaten
in Trient die „deutsche Nation“ kaum konstituierbar war (HHStA Wien, RHRP 20b: Eintrag
zum 1.5.1563).
385 Constant, Légation, S. 102ff. Ferdinands Ausführungen zu diesem Punkt in seinem Brief vom 3.
März waren in Rom falsch verstanden worden; schon am 18. April war Arco mit einer Richtig-
stellung beauftragt worden (Sickel, Konzil, S. 491f).
386 Jedin, Konzil 4/2, S. 34; Lecler, S. 441f
387 wie Anm. 366
388 „...etiamsi Stas Sua jure aliquo stricto non teneretur hujusmodi reformationis negocium cum
ipso concilio communicare...“ (Constant, Légation, S. 93).
389 Morones Berichte an Borromeo v. 13. und 17.5.1563 (NB II 3, S. 295ff u. S. 303ff)
390 HHStA Wien, RK RelA 10 Konv. Mai, fol 172–175: Duplik Morones v. 8.5.1563 (Druck bei
Constant, Légation, S. 108ff); dazu NB II 3, S. 295ff: Morone an Borromeo, 13.5.1563
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien