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Die Reformerwartungen zerrinnen 477
Gewicht auf diesen Aspekt legte416 als in der ersten und sich selbst für Refor-
men verbürgte417.
Nur wenn man von einem Antagonismus zwischen Papst und Kaiser ausgeht
und Morone überdies unterstellt, mala fide seine Zusagen gegeben zu haben,
wäre Ferdinand der Unterlegene gewesen. Aber trotz aller Divergenzen in ein-
zelnen Fragen sah sich Ferdinand nicht als Gegenspieler des Papstes, vielmehr
schwebte ihm Partnerschaft zwischen den beiden Häuptern der Christenheit
vor. Bei der großen Aufgabe, die Spaltung im Glauben zu überwinden – wohl
seinem wichtigsten Ziel als Kaiser –, gebührte seiner Meinung nach dem Papst
durchaus die Führung. Prämisse seines religionspolitischen Denkens war, daß
der Heilige Vater dasselbe Ziel habe. Wenn es erreicht werden sollte, war die
Reform der Kirche an Haupt und Gliedern unabdingbar, doch ging es Ferdi-
nand nur darum, daß hier gründliche Arbeit geleistet würde – das ist die Funk-
tion seiner eigenen Reformvorlagen –, nicht darum, bestimmte Maßnahmen
durchzusetzen. Es blieb ihm unverständlich – seine manchmal sehr resigniert
klingenden Bemerkungen über Kurie und Konzil belegen das –, warum man in
Rom so uneinsichtig war. Morones Versicherungen ließen ihn noch einmal
Hoffnung schöpfen. Die konzilspolitischen Weisungen der nächsten Wochen
belegen, wie Ferdinand das Ergebnis im Sinne seiner Erwartungen auszubauen
trachtete.
Die Reformerwartungen zerrinnen
Ferdinand war keineswegs gesonnen, nunmehr auf kritische Begleitung der
Konzilsarbeit zu verzichten und seine Gesandten künftig als willfährige Ad-
junkten der Konzilsleitung agieren zu lassen. Das belegen seine Reaktionen auf
das ihm durch Delfino vorgetragene Ansinnen Morones, er möge seinen Orato-
ren anbefehlen, öffentlich die Zufriedenheit ihres Herrn mit dem Papst zu be-
kunden und die Legaten nachdrücklich zu unterstützen sowie den Kardinal von
Lothringen, der damals als Führer der Konzilsopposition auftrat, brieflich zu
mehr Solidarität auffordern418. Nach Erörterung im Geheimen Rat erwiderte
Ferdinand darauf nur mündlich in Gegenwart von Brus419, nichts, was seine
Oratoren täten, sei gegen die Konzilsleitung gerichtet, und behielt sich und
ihnen das Recht vor, mit den Gesandten der anderen Mächte zu kooperieren;
das Schreiben an den französischen Kardinal lehnte er ab420. Seine Weisung an
die Oratoren blieb hinter Delfinos Wünschen erheblich zurück; bei der Zu-
416 Morone hat in seinen Rechenschaftsberichten eingestanden, jener kritischen Stimmung in der
ersten Unterredung mit Ferdinand nicht genug Rechnung getragen zu haben (NB II 3, S. 296 u.
S. 304f).
417 Daß Ferdinand Morone in diesem Sinne verstanden hat, geht aus mehreren Äußerungen in den
nächsten Wochen hervor; besonders betonte er es im Ende Juli verfaßten Schreiben an Philipp
II. (CDI 9, S. 362 u. S. 363).
418 NB II 3, S. 314ff: Bericht Delfinos v. 17.5.1563; Constant, Légation, S,. 126ff: Note Delfinos v.
15.5.1563. – Zum jüngsten Auftreten Lothringens Jedin, Konzil 4/2, S. 37ff
419 HHStA Wien, RHRP 20b: Eintrag zum 16.5.1563 (zitiert NB II 3, S. 317)
420 NB II 3, S. 314ff: Delfino an Legaten, 17.5.1563
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien