Page - 478 - in Ferdinand I. als Kaiser - Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
Image of the Page - 478 -
Text of the Page - 478 -
Kapitel 7: Kaiser Ferdinand und die dritte Tagungsperiode des
Tridentinums478
rückdrängung jener Themen, welche zu endlosen Debatten führten und von
den zentralen Aufgaben des Konzils ablenkten, sollten sie behilflich sein und
dann, wenn die Freiheit der Konzilsväter von anderen Mächten nicht respek-
tiert würde421. Beides waren Positionen, die Ferdinand schon im Gespräch mit
Morone vertreten hatte.
Gleich nach der Abreise des Kardinals erteilte Seld der Theologen-
Kommission den Auftrag, aus dem Reform-Libell unter Berücksichtigung der
Parallelen mit den von den Spaniern und Franzosen vorgebrachten Reformfor-
derungen sowie der in Trient schon behandelten Punkte zusammenzutragen,
welche Aspekte künftig noch zu bedenken wären422. Daß nicht mehr alle Arti-
kel der ersten Fassung des Libells weiterverfolgt werden konnten oder sollten,
war den Gesandten in Trient schon im März mitgeteilt worden423. Der Kaiser
war also daran interessiert, baldigst für eine neue Intervention zugunsten der
Kirchenreform – sofern sie nötig werden sollte – gerüstet zu sein und seine
Entschlossenheit dazu zu demonstrieren. Denn natürlich erfuhr Delfino von
dem Auftrag und setzte pflichtgemäß die Konzilsleitung davon in Kenntnis424.
Wegen Streitigkeiten in der Kommission dauerte deren Arbeit drei Wochen425.
Was sie dann vorlegte, war eine Bestandsaufnahme mit kurzen Angaben, was zu
den unerledigten Punkten „ad reformationem ecclesiae universalem, quae re-
formationem in capite et in membris appellant“, zu beantragen wäre426.
Die Vorschläge wurden im Geheimen Rat nicht näher besprochen, sondern
umgehend den Konzilsoratoren zur Begutachtung übersandt; die abschließen-
den Beratungen sollten erst in Wien erfolgen427. Sinn des ungewöhnlichen Ver-
fahrens war zweifellos, eine dem aktuellen Stand der Dinge in Trient angepaßte
Vorlage zu produzieren. Jedoch wurde das Papier nicht mehr zu einem kaiserli-
chen Antrag umgearbeitet, denn im Begleitschreiben zu ihrem Gutachten hatten
die Oratoren die wichtige Nachricht zu melden, im Auftrag der Legaten habe
eine Deputation das erste Libell, die spanischen und französischen Denkschrif-
ten sowie das, was man aus Rom habe, kollationiert, um Artikel für eine allge-
meine Reform vorzubereiten, und die Legaten hätten versprochen, ihnen vor
der Einbringung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben428. Ferdinands Akti-
vität dürfte dazu beigetragen haben, daß Morone schon Ende Mai jenen Auftrag
erteilt hatte; der Entwurf der Deputation konnte bereits am 4. Juni zur Prüfung
421 Sickel, Konzil, S. 503f: F. an Konzilsoratoren, 15.5.1563; von Jedin, Konzil 4/2, S. 46, zu undiffe-
renziert interpretiert.
422 HHStA Wien, RK RelA 10 Konv. Mai, fol 194r: Dekret v. 14.5.1563
423 Sickel, Konzil, S. 456ff: Weisung v. 21.3.1563, bes. S. 459f
424 NB II 3, S. 314ff: Delfino an Legaten, 17.5.1563
425 Dazu zuletzt Rößner, S. 224ff
426 Sickel, Konzil, S. 520ff, bietet die Schlußfolgerungen der Kommission. Helle hat die Bedeutung
des Elaborates überschätzt, während er die Briefe vom 3. März zu gering bewertet hat; die Be-
nennung „Zweites Reform-Libell“ (S. 8, 15 u.ö.) ist ungeeignet.
427 HHStA Wien, RHRP 20b: Eintrag zum 7.6.1563. Bis zur Rückäußerung der Oratoren war
offenbar keine Beratung am Hof beabsichtigt, denn vom Gutachten der Kommission wurde kei-
ne Kopie hergestellt (Sickel, Konzil, S. 528: Weisung v. 7.6.1563).
428 Sickel, Konzil, S. 547: Oratoren an F., 18.6.1563
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
back to the
book Ferdinand I. als Kaiser - Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V."
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien