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Die Reformerwartungen zerrinnen 479
nach Rom geschickt werden429. Für eine eigene Reformvorlage des Kaisers war
damit vorerst kein Raum mehr, sondern man mußte abwarten, wie der Konzils-
präsident seine Versprechen inhaltlich einlösen würde. Als positives Signal
konnten Andeutungen des Legaten Navagero von Anfang Juni gewertet wer-
den, der Papst wolle die Reform der Vorschriften über die Voraussetzungen für
das Kardinalat dem Konzil zur Bearbeitung übertragen. Ferdinand kommen-
tierte die Meldung sehr erfreut, weil ihm trotz allen Bemühens Morone darin
keinerlei Hoffnung gemacht hatte430. Zunächst aber mußte die nächste Session
endlich stattfinden, welche die langwierigen Debatten über das komplexe Wei-
hesakrament zum Abschluß bringen sollte431. Sie war inzwischen auf den 15.
Juli verschoben worden, doch beurteilten Ferdinands Vertreter die Aussichten
für eine pünktliche Einigung sehr skeptisch432.
Es war nicht die einzige Meldung, die Ferdinand wieder mit Sorgen nach
Trient blicken ließ, schienen doch mehrere Gefahren den Erfolg des Konzils zu
bedrohen. (1) Der Rangstreit zwischen Spanien und Frankreich wirkte sich
verzögernd aus, zeitweilig drohten die Franzosen mit ihrer Abreise unter Pro-
test; auf die Beilegung mußten nicht nur seine Vertreter viel diplomatisches
Geschick und wertvolle Zeit verwenden. Nachdem ein Kompromiß in der Sitz-
ordnung – Graf Luna erhielt einen ihn auszeichnenden Sonderplatz – akzeptiert
worden war, gab es am Peter-und Pauls-Tag während eines Gottesdienstes
einen neuen Eklat433. (2) Luna hatte – ganz im Sinne seines Königs – den Kampf
für das uneingeschränkte Propositionsrecht aufgenommen434. Die Legaten
suchten und fanden Ferdinands Unterstützung dafür, den Grafen zur Annahme
des im „Summarium“ über die Innsbrucker Gespräche niedergelegten Kom-
promisses zu bewegen und sich zu begnügen, wenn die von ihm geforderte
öffentliche Klarstellung erst in der letzten Session vorgenommen werde, damit
die in Aussicht gestellte Beratung der Reform nicht behindert würde435. (3) Wie
seine Oratoren war Ferdinand enttäuscht, daß Morone die Praxis beibehielt,
ohne vorherige Genehmigung aus Rom den Vätern nichts zur Entscheidung
vorzulegen; er sah darin einen Widerspruch zur Innsbrucker Abmachung und
eine Beeinträchtigung der Freiheit des Konzils und ermächtigte seine Vertreter,
mit den Gesandten der anderen Mächte zu besprechen, was dagegen unter-
nommen werden könne436. (4) Ganz abwegig erschienen ihm die in Trient ange-
stellten Überlegungen, Königin Elisabeth von England zu exkommunizieren437;
429 Steinruck, S. 239; Šusta 4, S. 41ff: Legaten an Borromeo, 4.6.1563. Warum die Oratoren erst
zwei Wochen später darüber berichteten, ist unklar.
430 Sickel, Konzil, S. 538f: Oratoren an F., 9.6.1563; ebda, S. 544f: Antwort Ferdinands v. 14.6; am
21.6. wurde jene Absicht des Papstes auch von Arco erwähnt (Kassowitz, S. XLIV).
431 Eingehend dazu Jedin, Konzil 4/2, S. 52ff
432 Sickel, Konzil, S. 541; Steinherz, Briefe, S. 109: Brus an Maximilian, 18.6.1563
433 Jedin, Konzil 4/2, S. 62ff
434 HHStA Wien, RK RelA 11 Konv. Juni, fol 135r/v: Niederschrift der Konzilslegaten v. 21.6.1563
über ihre Verhandlung mit Luna (Kopie), dem Kaiser zur Kenntnisnahme übersandt. Druck bei
Constant, Légation, S. 177ff
435 NB II 3, S. 356ff: Legaten an Delfino, 21.6.1563, und Delfino an Legaten, 25.6.1563
436 Sickel, Konzil, S. 549ff: F. an Oratoren, 19.6.1563, hier S. 550
437 Zum Folgenden ebda, S. 551f sowie NB II 3, S. 351 und Šusta 4, S. 97; vgl. A.O. Meyer, S. 42f
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien