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Kapitel 9: Die Sicherung der Nachfolge im
Reich584
daß man auf die Wahl keinen Einfluß mehr nehmen konnte, überlegte aber
bereits, die Anerkennung Maximilians zu einem politischen Handelsobjekt zu
machen98. Um sich die Hände frei zu halten, wurde die Anregung des Nuntius,
einen Legaten nach Frankfurt zu schicken, nicht befolgt99. –
Das Signal, das der Kaiser abgewartet hatte, ehe er reichspolitische Schritte
zur Regelung seiner Nachfolge unternahm, kam Ende Februar 1561 aus Berlin.
Kurfürst Joachim von Brandenburg ließ ihm vertraulich ausrichten, zum Wohl
des Reiches und des Hauses Österreich sei es angezeigt, bei seinen Lebzeiten
die Erhebung eines Römischen Königs vorzunehmen; er selbst sei bereit, wenn
der Kaiser mit Rücksicht auf sein in Frankfurt gegebenes Versprechen nicht die
Initiative ergreifen wolle, mit einigen oder allen Mitgliedern des Kurkollegs zu
reden, der Kaiser könne die Sache dann fortsetzen. Nach dem Bericht Lunas an
König Philipp – dem einzigen zeitgleichen Beleg – soll Ferdinand unschlüssig
reagiert haben: Er wolle sich den Vorschlag überlegen100.
Am wichtigsten an dem Anerbieten war für Ferdinand die Eröffnung der
Möglichkeit, die Sukzessionsfrage ansprechen zu können, ohne gegen seine
Obligation zu verstoßen. Dennoch bedurfte es vor allem in der Anfangsphase
höchster Diskretion, damit sich keine Opposition formieren konnte. Ferdi-
nands Zurückhaltung ist insofern verständlich, als es untunlich erscheinen
mochte, sofort begeistert und jedermann erkennbar darauf einzugehen. Wenn
man den Zeitpunkt des Anstoßes aus Berlin und den Überbringer betrachtet,
kann man aber fragen, ob die Luna vermittelte Reserviertheit ganz echt war.
Dem Austausch diskreter Überlegungen zwischen dem Kaiser und dem
Brandenburger kam es zustatten, daß Dr. Paul Prißmann seit einem halben Jahr
im Dienst beider stand, und zwar mit gegenseitiger Zustimmung101. So er-
scheint es nicht undenkbar, daß Ferdinand die Berliner Initiative „bestellt“
hat102. Prißmann dürfte auch der Autor einer umfangreichen Denkschrift gewe-
sen sein, die sich vorzüglich als Unterlage für die von Joachim angebotenen
Gespräche eignete, denn sie bringt in eigentümlicher Weise das Interesse der
Habsburger an der Wahl Maximilians vivente imperatore mit dem der prote-
stantischen Kurfürsten an dem als Anhänger der „Augsburgischen Konfession“
eingeschätzten Maximilian zur Deckung und erörtert außerdem, wie die geistli-
chen Kurfürsten, aber auch Friedrich von der Pfalz, überzeugt werden könn-
ten103. Zahlreiche Aspekte aus dem Repertoire habsburgischer Wahlpropaganda
98 NB II 3, S. 60 u. S. 97 (Meldungen Delfinos); Sickel, Konzil, S. 375: Arco an F., 9.9.1562, der
darin Bemerkungen des Papstes über Zusammenhänge zwischen Konzil und Konfirmation Ma-
ximilians referiert; NB II 3, S. 120f: Weisung Borromeos an Delfino v. 19.9.1562
99 NB II 3, S. 101 (Ratschlag Delfinos) u. S. 119 (Bescheid Borromeos)
100 CDI 98, S. 197f = Döllinger 1, S. 405 (beide mit unrichtigem Datum), vgl. Goetz, Wahl, S. 55f,
der angibt: 11.3.1561. Wichtig ferner Ritter, Geschichte 1, S. 252 Anm.1
101 Goetz, Wahl, S. 55 Anm. 2; gegenüber der von Goetz und Luttenberger benutzten Namensform
Briesmann bevorzuge ich die Schreibweise der Quellen.
102 Die jede Initiative des Kaisers in Abrede stellenden Ausführungen des Kurfürsten Joachim in
Frankfurt (zitiert bei Neuhaus, Königswahl, S. 17) schließen diese Interpretation nicht aus.
103 1892 aus Berliner Archivbeständen publiziert von Altmann, Wahl, der den Verfasser in der
Umgebung Maximilians vermutete. – Möglich ist auch, daß es sich um die von Goetz, Wahl, S.
143 Anm. 4 vermißte Expertise Prißmanns aus dem Frühjahr 1562 handelt, wofür vor allem
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien