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Kapitel 10: Kaiser Ferdinand I. im europäischen
Kräftespiel620
Spannungsabbau in Europa statt katholischer Ligaprojekte
Überlegungen oder Ansätze, zwischen kriegführenden Mächten Frieden zu
vermitteln, sind etliche Male zu registrieren. Ebenso läßt sich als ein Element
der Politik Kaiser Ferdinands beobachten, wo immer möglich der Aufladung
von Spannungen im Reich oder auf internationaler Ebene, etwa durch Entste-
hung konfessioneller Bünde, entgegenzuwirken – ein in Zeiten allseitigen Miß-
trauens besonders schwieriges Unterfangen.
In der ersten Zeit, als sein Neffe Philipp II. noch in die von Karl V. über-
kommenen „heißen“ Konflikte verwickelt war, beobachtete Ferdinand aus
Familiensolidarität größte Zurückhaltung. Der Waffenstillstand von Vaucelles
zwischen Frankreich einerseits, Spanien und seinen Verbündeten andererseits
(5. Februar 1556) hatte zu seinem Leidwesen nur wenige Monate Bestand, im
September brach in Italien der Krieg zwischen Papst Paul IV. und Philipp II.
aus11, in den Frankreich nach anfänglichem Liebäugeln mit einer Vermittlerrol-
le12 als Bundesgenosse des Papstes eintrat. Alsbald wurde von mehreren Seiten
der Gedanke an Ferdinand herangetragen, er möge, da er zur Zeit de facto das
höchste weltliche Haupt in der Christenheit sei und allerseits hohes Ansehen
genieße13, in diesem Konflikt eine Friedensvermittlung unternehmen. Zasius
befürwortete eine solche Aktion bei Ferdinand mit dem Argument, sie liege
sehr wohl in seinem Interesse, weil durch den Krieg viele Söldner aus Deutsch-
land abgeworben würden, die man gegen die Türken besser gebrauchen könne,
und außerdem würden sie teurer14; der Rat konnte ergänzend darauf hinweisen,
auch Herzog Albrecht stehe dem Gedanken positiv gegenüber. Indessen hatte
Ferdinand kurz vorher eine den gleichen Zweck verfolgende Sondierung des
venezianischen Botschafters abschlägig beschieden mit der Begründung, die
Schuld liege in diesem Falle eindeutig beim Papst, der allen Mahnungen zum
Frieden unzugänglich sei und sich stattdessen sogar mit jenem Fürsten verbün-
de, der ein Bundesgenosse der Türken sei15. Das für eine erfolgreiche Vermitt-
lung erforderliche Maß an Überparteilichkeit war bei dieser Beurteilung des
Konflikts natürlich nicht gegeben, überdies dürfte Ferdinand seinen Einfluß bei
Paul IV. mit Recht nicht hoch veranschlagt haben. Philipp war mit der Venedig
erteilten Antwort sehr zufrieden und gab seinerseits kein Signal, daß er eine
Vermittlung des Oheims begrüßen würde16.
Nach dem Sonderfrieden zwischen Spanien und der militärisch besiegten
Kurie (September 1557) tauchte die Idee erneut auf, und diesmal war Ferdinand
bereit, sich persönlich oder durch Beauftragung eines Sohnes, entweder Maxi-
milians oder Ferdinands, dafür zu engagieren. Einer Aufforderung des Papstes
11 Lutz, Christianitas, S. 461
12 Ebda, S. 464
13 So Kardinal Otto Bischof v. Augsburg, in einem Brief an Zasius (HHStA Wien, RK RTA 38, fol
29r-30r, Or., undatiert, Beilage zu einem Schreiben Zasius’ an F. v. 11.11.1556).
14 So Zasius im Postskript zu seinem Schreiben v. 11.11.1556 (ebda, fol 9r/v)
15 CDI 2, S. 424ff: F. an Philipp II., 24.10.1556; vgl. Maurenbrecher, HZ 50, S. 47
16 CDI 2, S. 430ff: Philipp an F., 20.11.1556. Ein Jahr vorher hatte Philipp den Gedanken selbst
erwogen (Lutz, Christianitas, S. 421 mit Anm. 67).
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien