Page - 634 - in Ferdinand I. als Kaiser - Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
Image of the Page - 634 -
Text of the Page - 634 -
Kapitel 10: Kaiser Ferdinand I. im europäischen
Kräftespiel634
verschuldet worden sei, daß er Siebenbürgen nicht durch Gewalt oder Betrug
besetzt habe, vielmehr sei es ihm aus freien Stücken übertragen und von ihm auf
friedliche Weise in Besitz genommen worden, und daß er die Zapolya mit zwei
anderen schönen Herzogtümern weitgehend zufriedengestellt habe. Die Kon-
troverse mit Isabella sollte als geringfügige, in Kürze beigelegte Meinungsver-
schiedenheit heruntergespielt werden, die nur von Ferdinands Gegnern genutzt
würde, um den Frieden zu hintertreiben. Den Gesandten wurde Vollmacht
erteilt, erhöhte Jahreszahlungen anzubieten, wenn das der Erhaltung Sieben-
bürgens dienlich sei124. Ob Ferdinand glaubte, der soeben stattgehabte Wechsel
im Amt des Großwesirs böte ihm eine bessere Chance125, sei dahingestellt.
Deutlich ist seine Absicht, Zeit zu gewinnen, denn für den Fall eines negativen
Bescheides sollten die Gesandten antworten, damit hätte ihr Herr nicht gerech-
net; er könne über die Rückgabe Siebenbürgens nicht allein entscheiden, son-
dern müsse mit denjenigen christlichen Fürsten, die davon auch betroffen wä-
ren, sowie mit den ungarischen Ständen beraten, wozu er dann einen Reichstag
einberufen müsse.
Den ungarischen Reichstag lud der König schon zum 1. Januar 1556 nach
Preßburg, einem Termin, zu dem die Antwort der Pforte auf seine neuen Wei-
sungen noch nicht erfolgt sein konnte. Zur Begründung diente Ferdinand die
Forderung des Sultans nach Rückgabe Siebenbürgens, beraten werden sollte
über Maßnahmen zur Abwehr, also über finanzielle Leistungen der Stände126.
Gleichzeitig verstärkte Ferdinand seine Bemühungen, mit Königin Isabella
doch noch zu dem gewünschten Ergebnis zu kommen, indem er die Verhand-
lungen an seinen Hof zu ziehen trachtete. Wieder wandte er sich an Sigismund
August und forderte ihn auf, seine Schwester zur Entsendung umfassend be-
vollmächtigter Vertreter nach Wien zu veranlassen. Dabei zog er noch einmal
alle Register, um zu verdeutlichen, welche schwierige Situation durch die Preis-
gabe Siebenbürgens entstehen würde, was zu verhindern für ihn auch eine Eh-
rensache war127. Daß er seine Angebote an Isabella als jeder unvoreingenom-
menen Prüfung gewachsen anpries, war nur eine Einleitung. Er übersandte das
Original und eine Übersetzung von dem letzten Brief des Sultans, damit Sigis-
mund August selbst dessen hinterhältige Absicht ersehen könne, Siebenbürgen
unter dem Vorwand, es für den jungen Zapolya zu fordern, für sich selbst zu
erlangen. Er betonte die damit entstehende Gefahr für die gesamte Christenheit,
besonders aber die benachbarten Reiche, darunter Polen, weil die Türken sie
leichter angreifen und unterwerfen könnten. Den jungen Zapolya wolle der
Sultan das Land „non aliter quam more Sanziackorum“ besitzen lassen und
werde ihn als Untergebenen und Diener behandeln, den er nach Belieben ver-
124 Laszlo, S. 130ff: Weisung v. 14.11.1555. Auf der Durchreise sollte Busbecq den Pascha von Buda
unter Hinweis auf seine Aufträge zur weiteren Beachtung des fast schon abgelaufenen Waffen-
stillstandes bestimmen.
125 Seine am Bosporus gebliebenen Gesandten meldeten den Wechsel am 10.10.1555 mit leichtem
Optimismus (Laszlo, S. 97ff).
126 Fraknói 3, S. 543ff
127 Zum folgenden HHStA Wien, Polonica 8 Konv. 2, fol 164r-166r: F. an Sigismund August („zu
eigenen handen“), Wien, 12.11.1555 (Kopie)
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
back to the
book Ferdinand I. als Kaiser - Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V."
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien