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Südostpolitik 637
zu gewinnen, mit verringerter Zielsetzung noch einmal versucht144. Er ließ Si-
gismund August mitteilen, daß er dem permanenten Druck des Sultans nach
Rückkehr der Zapolya nachgebe. Die verminderte politische Forderung lautete
jetzt, Isabella und ihr Sohn sollten sich mit Siebenbürgen zufrieden geben, kei-
nerlei Ansprüche auf Orte in Restungarn erheben und mit Ferdinand Frieden
schließen. Außerdem ließ er dem Polenkönig einen Vorschlag unterbreiten, den
sein Gesandter nur mündlich in einer eigens dafür zu beantragenden Privatau-
dienz vortragen durfte: Ferdinand bot an, die derzeit noch von seinen Truppen
gehaltenen Burgen in Siebenbürgen dem Jagiellonen „zu treuen Händen“ zu
übergeben, der sie später bei entspannten Verhältnissen den Zapolya überlassen
könne; jetzt aber sollte dadurch verhindert werden, daß die Türken sie nach
Aufgabe durch die habsburgische Besatzung überrumpeln und so den Fuß auf
die „Schutzmauer der Christenheit“ setzen könnten. Wieder brachte Ferdinand
den Verdacht vor, daß die Osmanen Zapolya nur als Strohmann für die eigene
Besitzergreifung zu nutzen gedächten, und äußerte Zweifel, ob sie den Frieden
einhalten würden. Sein fein gesponnener Plan zielte auf eine Einbeziehung Po-
lens in die vordere Verteidigungslinie, blieb aber ohne Erfolg. Die Burgen in
Siebenbürgen gingen in den nächsten Monaten verloren, und Isabella, der Fer-
dinands letzter Brief an den Sultan zugespielt worden war, hielt sich an den von
französischer Seite erteilten Rat, nur das zu tun, was der Sultan wolle145. Sie
lehnte Ferdinands Ansinnen schroff ab146 und konnte im Oktober mit ihrem
Sohn in Klausenburg Einzug halten.
Anscheinend ist ihr Verhalten dem Habsburger ganz unverständlich geblie-
ben. In einem im diplomatischen Schriftverkehr unüblichen Zornesausbruch
gegenüber Sigismund August stellte Ferdinand verbittert fest, wenn die Chri-
stenheit durch den Konflikt mit Isabella Schaden erlitte, so trage er keine
Schuld daran, vielmehr liege die alleinige Verantwortung bei der Königin147.
Noch fünf Jahre später setzte er den „Vertragsbruch“ Isabellas als Argument
ein, als er Papst Pius IV. daran hindern wollte, ihren Sohn zum Konzil einzula-
den148. Tatsächlich unternahm der polnische König Anfang 1557 bei seiner
Schwester einen Vermittlungsversuch. Deren Antwort war aber wieder eindeu-
tig negativ: Daß sie und ihr Sohn sich mit Siebenbürgen zufrieden geben sollten,
sei Gegenstand der Verhandlungen Ferdinands mit der Pforte gewesen; der
Sultan habe nicht zugestimmt, sondern wünsche, daß sie ganz Ungarn erhielten
und ihr Sohn gekrönt würde149. Ferdinand war auf dem Balkan auf den Stand
von 1547 zurückgeworfen.
144 HHStA Wien, Polonica 8 Konv. 3, fol 69r-53r: Instruktion v. 20.6.1556 für Johann von Wylak;
vgl. Zivier, S. 538
145 Die französische Einflußnahme erfuhr Wylak en passant (Sein Bericht ebda, fol 104r/v).
146 Ebda, fol 106r-107r: Antwort Isabellas an ihren Bruder v. 25.8.1556 (Kopie)
147 Konzept (Wien, 2.10.1556) ebda, fol 128r-130v
148 NB II/1, S. 281
149 HHStA Wien, ebda, fol 31r-32r: Antwort der Königin an ihren Bruder (als Beilage zu dessen
Instruktion v. 12.5.1557 für seinen Gesandten bei Ferdinand): „De eo, ut cum Regio filio sola
Transylvania contenta simus, iam pridem S. Rex Rom. cum Imperatore Turcarum etiam egit. Sed
Imperator Turcarum aliter acquiescere noluit, et nunc perstat in proposito, vultque ut totam
Ungariam habeamus, et filius noster coronetur“.
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien