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Kapitel 10: Kaiser Ferdinand I. im europäischen
Kräftespiel640
heimhaltung vor dem Sultan gelegen war. Der Kaiser, dem ihr Anliegen durch
den polnischen Gesandten Cromer am 17. März in Frankfurt vorgetragen wur-
de170, erklärte sich dazu bereit, verlangte aber, daß von der Königin „tolerabiles
conditiones“ unterbreitet würden171. Zu substantiellen Verhandlungen kam es
1558 noch nicht, zumal Ferdinand aus Konstantinopel des öfteren Berichte
erhielt, daß Isabella dort gegen einen Frieden zwischen ihm und den Osmanen
intrigiere172. Im März 1559 aber kam ein neues Signal durch ein vertrauliches
Schreiben des polnischen Kanzlers, der mitteilte: Isabella habe ihrem Bruder zu
erkennen gegeben, daß der Sultan nicht nur der Aussöhnung zwischen den
Zapolya und Ferdinand zugestimmt habe, sondern auch der früher einmal ver-
einbarten Ehe des Prinzen mit Ferdinands Tochter; sein Herr habe das Original
von dem Brief des Sultans durch einen Eilboten bei ihr angefordert173. Die
Nachricht verdiente Glauben, weil sie kurz nach dem neuen türkischen Frie-
densvorschlag einging, der Ferdinand im März in Augsburg erreicht hatte174. Es
bestand also Aussicht auf einen Durchbruch zu allseitigem Frieden auf dem
Balkan und darüber hinaus in ganz Europa, standen doch die Verhandlungen in
Cateau-Cambrésis kurz vor dem Abschluß.
Nach Ansicht des französischen Gesandten an der Pforte war die Nachricht
vom bevorstehenden Friedensschluß zwischen Spanien und Frankreich von
erheblicher Bedeutung für den Entschluß des Sultans, seinerseits mit Ferdinand
zum Abschluß zu kommen; auch der eskalierende Streit zwischen den osmani-
schen Prinzen mag eine Rolle gespielt haben175. Der türkische Vorschlag sah
wie 1547 die Respektierung des Status quo vor. Das bedeutete für Ferdinand
zwar den Verzicht auf einige im letzten Jahr verlorene Orte, andererseits war
von der Schleifung Szigeths nicht mehr die Rede; insofern wurden einige Ab-
wehrerfolge seiner Truppen aus der letzten Zeit honoriert. Die Zapolya sollten
diesmal in den Vertrag eingeschlossen werden, ebenfalls unter Anerkennung des
Status quo. Die jährlichen „Ehrengeschenke“ sollten wieder geleistet und eine
Jahresrate nachgezahlt werden – hier hatte Busbecq erfolgreich heruntergehan-
delt. Der Sultan wollte die mit ihm „befreundeten“ Mächte Frankreich und
Venedig in den Frieden einbeziehen, während Spanien nicht erwähnt wurde.
Die übliche Befristung war noch nicht festgelegt176.
Die Beratungen am Kaiserhof in Augsburg, in die Maximilian einbezogen
wurde, führten zu dem Ergebnis, im Prinzip anzunehmen, aber möglichst noch
170 HHStA Wien, Polonica 9 Konv. 5, fol 33r
171 Ebda, fol 35r/v: Ferdinands Antwort an Cromer (Konz.); die Anspielung auf Isabellas frühere
Ablehnung ist unübersehbar. Am 1.Mai wiederholte er seine Erklärung und fügte das Verlangen
nach Einstellung aller Feindseligkeiten hinzu (ebda, fol 51r-52r).
172Õontar, S. 188; wie weit die Meldungen des Agenten auf Fakten beruhten, muß dahingestellt
bleiben.
173 HHStA Wien, Polonica 9, 1559 Konv. A, fol 26r/v: Schreiben des polnischen Kanzlers an Ferdi-
nand v. 14.3.1559
174 Vgl. Kapitel 5, S. 339
175 Ribier 2, S. 780: Bericht v. 11.2.1559; dazu auch Õontar, S. 180; Martels, S. 223 Anm. 75
176 Übersicht über die Bedingungen bei Bucholtz 7, S. 350f; vgl. Martels, S. 226f. Der französische
Gesandte an der Pforte urteilte, die Konditionen seien „bien peu honorables pour un Empereur
Chrétien“ (Ribier 2, S. 781).
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien