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Kapitel 10: Kaiser Ferdinand I. im europäischen
Kräftespiel642
schluß des Friedens den politisch unerfahrenen und angeblich einem aus-
schweifenden Leben geneigten Johann Sigismund Zapolya dazu zu bewegen,
sich für einen „freiwilligen“ Verzicht auf Siebenbürgen mit der Hand der ihm
früher versprochenen Kaisertochter und dem Herzogtum Oppeln entschädigen
zu lassen, ohne wie früher seine Mutter an den Sultan zu appellieren, und auch
die Magnaten des Landes für diesen Handel zu gewinnen186. Solange der Ver-
trag mit dem Sultan nicht ratifiziert war, waren nach Auffassung Ferdinands –
an der er immer festgehalten hat – Änderungen am Status quo mit Siebenbürgen
zulässig. Der springende Punkt in der politischen Rechnung Ferdinands war die
Hoffnung, daß der Sultan wegen der Bajezid-Revolte eine so eingefädelte habs-
burgische Besitzergreifung von Siebenbürgen hinnehmen werde187. Busbecq
erhielt als neue Weisung, auf der Berücksichtigung seiner Einwände zu beste-
hen, was neue Verhandlungen erforderlich machte und den Abschluß verzögern
mußte188.
Indessen ging Ferdinands Rechnung wiederum nicht auf. Die Verhandlungen
mit Zapolya kamen nicht zügig voran189, und die Prämisse, er werde auf Sie-
benbürgen verzichten, erwies sich ebenso als Illusion wie die Annahme Maxi-
milians, die Stellung des jungen Mannes im eigenen Lande und gegenüber den
Türken sei so schwach, daß er auf die Einigung mit den Habsburgern angewie-
sen sei190. Erst Ende Januar 1560 trafen seine Vertreter in Wien ein. Ferdinands
großes Interesse, die leidige Sache endlich erfolgreich abzuschließen, wird dar-
aus ersichtlich, daß er die Verhandlungen persönlich ohne Beiziehung eines
Ratgebers führte. Es sollte zugleich eine Geste sein, um durch diese höchste
Stufe der Geheimhaltung dem jungen Zapolya den Frontwechsel zu erleich-
tern191. Zum zentralen Streitpunkt wurde das Führen des Titels „König von
Ungarn“ durch Zapolya, denn sie berührte eine conditio sine qua non Ferdi-
nands und wurde von ihm als Provokation empfunden. Als überdies die polni-
schen Vermittler den Fehler begingen, Zapolya in einem Schreiben den Königs-
titel zu geben – worüber Ferdinand sich später bei Sigismund August be-
schwerte192 –, meldete Soranzo voreilig schon Anfang März, die Gespräche
seien gescheitert193. Johann Sigismund Zapolya bewegte sich in denselben poli-
186 VD 3, S. 101f: Bericht v. 5.10.1559; ganz ähnlich nochmals im Bericht v. 22.11.1559 (ebda, S. 122)
187 „Et pare che il principal fondamento della speranza che tiene che il signor Turco, in caso che Sua
Cesarea Mta. aquisti la Transilvania, gliela lassi goder, sia sopra la guerra che ha con il figliolo“
(VD 3, S. 123).
188 Martels, S. 249 Anm. 173 u. S. 256ff
189 HHStA Wien Polonica 9 Konv. B, fol 36r/v: Ferdinands Zustimmung v. 1.11.1559 zur Verschie-
bung, um die Sigismund August mit Schreiben v. 9.10.1559 angehalten hatte (ebda, Konv. A, fol
80r/v). Damals wußte man in Wien schon, daß der junge Zapolya sich den Titel eines Königs
von Ungarn beilegte (VD 3, S. 110).
190 Bericht Soranzos v. 3.2.1560 (VD 3, S. 138)
191 So die Interpretation Selds, der in mehreren Berichten an Herzog Albrecht erwähnte, der Kaiser
führe die Verhandlungen allein (BHStA München, KÄA 4306, fol 373r, 376r, 441r/v: Briefe v.
27.1., 10.2., 9.4.1560).
192 HHStA Wien, Polonica 10 Konv. X, fol 103r-105r: undatierter Entwurf einer Instruktion, dem
Inhalt nach ins 3. Quartal 1560 gehörig; ebenso in der Instruktion v. 29.11.1560 für Sauermann
(ebda., fol 74r-83r).
193 VD 3, S. 139 Anm. 3
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien