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Südostpolitik 645
zirkulierende Gerüchte über türkische Absichten, Böhmen und Mähren anzu-
greifen und Wien zu belagern, und Berichte, nach denen bei einem Überfall in
Ungarn 4000 Menschen verschleppt worden wären, wurden am Kaiserhof dem-
nach nicht sonderlich ernst genommen214. Auch ein Jahr später, als Pius IV.
wieder davon anfing, einen gemeinsamen Krieg der christlichen Fürsten gegen
die Türken nach Kräften fördern zu wollen215, suchte der Kaiser ihn durch
seinen Botschafter von den Ligaprojekten abzubringen und wollte stattdessen
konkrete Zusagen haben, in welcher Höhe er zu finanziellem Engagement ge-
gen die Türken bereit sei216. –
Durch den erwähnten Bericht Busbecqs vom 30. August wurde Ferdinand
andererseits in seiner Entschlossenheit bestärkt, seine Ansprüche in Ungarn in
vollem Umfang zu behaupten217. Solange einerseits keine akute Gefahr eines
türkischen Angriffs bestand und andererseits der Abschluß des Vertrages mit
der Pforte noch nicht in Sicht war, der ja auf Fixierung des Status quo hinaus-
laufen würde, sah Ferdinand zu Nachgiebigkeit gegenüber Zapolya um so we-
niger Grund, als sich die Lage in Ungarn in der nächsten Zeit zu seinen Gun-
sten entwickelte. Den Polenkönig ließ er aus gegebenem Anlaß218 an seine ver-
tragliche Verpflichtung aus dem Jahr 1549 erinnern, seinen Neffen nicht gegen
ihn zu unterstützen. Nach Ferdinands Auffassung sollten Sigismund August
und seine Gesandten nicht neutrale Vermittler sein, sondern hatten die Aufga-
be, Zapolya zum Nachgeben zu bewegen. Doch Sigismund August war nicht
bereit, diese Rolle zu spielen. Er schlug stattdessen eine längere Waffenruhe von
zwei bis drei Jahren Dauer vor, die er mit einer etwas süffisanten Mahnung an
den Kaiser verband, mehr Entgegenkommen zu zeigen219. Ferdinand reagierte
pikiert, wenn die Gegenseite angemessenere Konditionen vorgeschlagen hätte,
würde es an seiner Bereitschaft zu ruhiger Beratung und zum Frieden nicht
gefehlt haben220. Sauermann erhielt den Auftrag, mit Hilfe von einschlägigen
Akten, die ihm zugestellt wurden, nachzuweisen, daß Zapolya das Scheitern des
Friedens im vergangenen Jahr zu verantworten habe221. Verhandlungen unter
214 Stevenson 3, S. 521 (Nr. 935: Graf Wolrad von Mansfeld an Königin Elisabeth, 26.1.1561) und S.
524 (Nr. 941: „Zeitungen“ aus Wien)
215 Sickel, Konzil, S. 279f: Bericht Arcos v. 21.3.1562
216 Rill, Arco, S. 44 mit Nachweisen
217 Ein Gutachten seiner ungarischen Räte bemüht die Verantwortung des Kaisers, Schäden für die
Christenheit möglichst hintanzuhalten, als Motiv dafür, daß man sich überhaupt auf Gespräche
mit Zapolya einlasse (HHStA Wien, Polonica 10 Konv. X, fol 66r-67r: „Opinio Consiliariorum
Hungarorum de instructione expedienda in negocio filii regis Joannis“, v. 26.11.1560).
218 Sein Gesandter Sauermann hatte von Vorwürfen berichtet, daß an der verfahrenen Situation in
Ungarn allein der Kaiser die Schuld trage, weil er die Verträge mit Königin Isabella nicht gehal-
ten habe (ebda, Konv. E, fol 21r-23v, Bericht v. 26.2.1561); bald darauf wurde ihm vorgehalten,
daß die Eroberung einer Festung in Ungarn mit den geltenden Verträgen unvereinbar sei (ebda,
fol 61r-64v: Bericht vom 20.3.1561).
219 Ebda, fol 72r: Sigismund August an F., 21.3.1561: „...Mtem Caesaream rogamus, velit ipsa
propter communem totius reipublicae Christianae bonum et propter suam ipsius tranquillitatem
flectere animum ad quieta consilia et ad amplectendam pacem atque concordiam mutuam...“.
Die Initiative ist erwähnt VD 3, S. 187.
220 F. an Sigismund August, 21.4.1561 (HHStA Wien, Polonica 10 Kov. E, fol 89r/v)
221 Ebda, fol 91r-95v: Weisung v. 22.4.1561
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien