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Kapitel 10: Kaiser Ferdinand I. im europäischen
Kräftespiel656
für das Reich schädlichen Abmachung gedrängt worden zu sein306. Als im wei-
teren Verlauf der Audienz die negative Haltung Papst Pauls IV. zum Wechsel
im Kaisertum zur Sprache kam, ließ Ferdinand die Bemerkung Quadras nicht
gelten, das sei doch ein Argument für enge Zusammenarbeit der Casa d’Austria
in Italien, sondern behauptete, die Gefahr eines Zusammenwirkens von Papst,
Frankreich und etlichen deutschen Fürsten zu seinem Nachteil werde durch
den Vorschlag des Reichsvikariats erhöht. Darum verlangte er seinerseits eben-
falls strikte Geheimhaltung. Um den mißliebigen Antrag abzuwehren, gab Fer-
dinand jenen Äußerungen Pauls IV., das Kaisertum auf Frankreich übertragen
zu wollen, und den Kontakten deutscher Fürsten zu Frankreich mehr politi-
sches Gewicht, als er sonst zu tun pflegte.
Die schriftliche Antwort, die dem Gesandten erst einen Monat später erteilt
wurde, ließ an Ferdinands negativer Haltung keinen Zweifel. Die Verzögerung
dürfte einerseits durch seine Erkrankung im Juni 1558 verursacht worden sein,
andererseits wollte man am Wiener Hof wohl abwarten, ob Gúzman in Rom
noch etwas erreichen würde, endlich dürfte man die Zeit zum Studium der ei-
genen Unterlagen aus dem Jahr 1551 genutzt haben. Wichtiger als die Behaup-
tungen, seine damaligen Warnungen seien durch den Fürstenaufstand gerecht-
fertigt worden und es stehe zu befürchten, daß die Wiederaufnahme als neuer
Versuch, das Reich erblich zu machen, aufgefaßt würden, so daß die politischen
Schwierigkeiten der Habsburger vermehrt statt vermindert würden, war die
Interpretation der Augsburger Abmachungen: Ferdinand bezeichnete das von
Philipp gewünschte Amt als Statthalterschaft („Lugarteniente“) und erklärte,
Voraussetzung für die Wahrnehmung der Aufgabe sei die persönliche Präsenz
des Königs in Italien. Seine Zusage sei stets von dieser Prämisse ausgegangen; er
werde entsprechende Patente ausstellen, wenn Philipp sich nach Italien zu be-
geben gedächte. Bei einer Ausübung des Amtes von England, Flandern oder
Spanien aus würde die kaiserliche Reputation beschädigt, und die Fürsten des
Reichs würden eine solche Regelung ablehnen307.
In der Tat konnte der neue Kaiser so kurze Zeit nach der Bekräftigung des
Wahlversprechens, das Reich zu mehren, nicht weitere Rechte an den von den
deutschen Fürsten in erster Linie als ausländischen Herrscher betrachteten spa-
nischen König geben, obwohl Philipp als Herr der Niederlande und Herzog
von Mailand Reichsfürst war. Insofern hatte dieser den Zeitpunkt doch schlecht
gewählt und mußte die Belehrung einstecken, jede Sache bedürfe der rechten
Gelegenheit308. Entscheidend aber war Ferdinands unverminderte Abneigung
gegen das Projekt; mit Recht befürchtete er, das Kaisertum werde dadurch am
Ende jeden Einfluß in Italien einbüßen309. Zwar konnte er nach Lage der Dinge
das Ersuchen nicht einfach ablehnen, aber durch die Einführung jener – von
Philipp de facto nicht erfüllbaren – Bedingung gelang es ihm, die Übertragung
der Rechte an den Neffen zu umgehen. Wie schon Quadra einwandte, stand in
306 CDI 98, S. 14ff: Bericht Quadras v. 13.6.1558
307 CDI 98, S. 24ff: Antwort F’s.v. 22.7.1558 (zum Teil ins Deutsche übersetzt bei Kohler, Gesamt-
system, S. 29ff)
308 „... como S.A. sabe, cada cosa quiere su lugar y tiempo ...“ (CDI 98, S. 24).
309 So auch Kohler, Gesamtsystem, S. 37
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien